Der 18. September 2005, der legendäre Fernsehauftritt von „Testosteron-Gerd”, erinnern Sie sich noch? Angesichts des Stimmen-Vorsprungs der Union rätselte die Republik über die Ursache von Schröders Adrenalinschub – etwa zuviel Rotwein? Tatsächlich war es anders.

Der 18. September 2005, der legendäre Fernsehauftritt von „Testosteron-Gerd”, erinnern Sie sich noch? „Ich bleibe Bundeskanzler”. . . „Niemand außer mir ist in der Lage, eine stabile Regierung zu bilden”. . . „Frau Merkel wird hier keine Koalition unter ihrer Führung mit meiner Sozialdemokratischen Partei hinkriegen”. Angesichts des Stimmen-Vorsprungs der Union rätselte die Republik über die Ursache von Schröders Adrenalinschub – etwa zuviel Rotwein?

Tatsächlich war es anders. Schröder wurde unmittelbar vor der Sendung darüber informiert, dass er die Wahl doch gewinnen werde. Und zwar, wie der Berliner Historiker Daniel Koerfer in der FAZ schrieb, nur auf Grund der Überhangmandate, von denen die SPD mehr geholt habe als die Union. Eine Falschinformation, wie sich kurz darauf herausstellte. Aber eins war mit dem TV-Auftritt auch klar: Schröder hätte keine Sekunde gezögert, notfalls nur mit Überhangmandaten Kanzler zu werden. Preisfrage: Weshalb sollte es dann Merkel tun?

Wenn es um Überhangmandate geht, dann weiß Schröder jedenfalls, worüber er spricht. Und darum muss man es ernst nehmen, dass er am Freitagmittag vor der Wahl noch ein Faß aufmachte, der SPD vorhielt, auf eine Änderung des immerhin verfassungswidrigen Überhangmandate-Mechanismus verzichtet zu haben. Schröders Anmerkungen sind perfide. Sie enthalten eine doppelte, in beiden Fällen zerstörerische Botschaft. Erstens: Die SPD wäre an ihrer Wahlniederlage selbst schuld. Zweitens: Merkel darf so, nur mit Hilfe der Überhangmandate, nicht Kanzlerin werden. Schröder nimmt damit die Debatte vorweg, die, falls das Wahlergebnis es hergeben sollte, am Sonntagabend genau um 18.01 Uhr ausbricht.

In einem derart hitzigen Moment dürfte dann kaum eine Rolle spielen, dass Schröder mit seinem Vorwurf an die Adresse der SPD daneben liegt. Die SPD hätte zwar im Bundestag eine Gesetzesänderung erzwingen können: mit Hilfe der Linken und der Grünen. Aber dann hätte Merkel die SPD-Minister gefeuert, es wäre, womöglich mitten in den Turbulenzen um den strauchelnden SPD-Chef Beck, zu Neuwahlen gekommen. Und selbst bei einer Mehrheit im Bundestag: Der unionsdominierte Bundesrat hätte die Abschaffung der Überhangmandate verhindert.

Jedenfalls gewinnt dieser seltsamste (Nicht) Wahlkampf der deutschen Geschichte am Ende eine ziemliche Dramatik, Super-Spürnase Schröder sei Dank.