Berlin. Leben im Jahr 2030? Die wichtigsten Zukunftsforscher der Republik stellen am Montag in Berlin zum ersten Mal gemeinsam ihre Prognosen vor. Horst Opaschowski sieht eine Abkehr von der Konsumgesellschaft hin zur Familie.
Die Deutschen im Jahr 2030 – ärmer, aber glücklicher? Die wichtigsten Zukunftsforscher der Republik stellen am heutigen Montag in Berlin zum ersten Mal gemeinsam ihre Prognosen vor. Julia Emmrich sprach mit dem Hamburger Zukunftsexperten Horst W. Opaschowski über das Leben in 20 Jahren.
Unser Lebensstil wird sich verändern, wir haben über unsere Verhältnisse gelebt - das sind zwei zentrale Sätze aus der jüngsten Berliner Rede des Bundespräsidenten. Was sagen Sie einer alleinerziehenden Mutter am Existenzminimum – ist sie heute schon dort, wo wir alle demnächst hinkommen?
Opaschowski: Ja, sie gehört zu den fünf A-Gruppen, die oft am Rande des Existenzminimums leben und von Armut bedroht sind. Dazu gehören: 1. Arme, 2. Alte, 3. Arbeitslose, 4. Ausländer, 5. Alleinerziehende. Das muss nicht so bleiben, wenn es der Politik gelingt, die wachsende soziale Kluft in unserer Gesellschaft zu stoppen und für mehr soziale Gerechtigkeit zu sorgen.
Ist die Konsumgesellschaft am Ende?
Opaschowski: Die Konsumgesellschaft ist nicht am Ende, hat aber ihren Zenit überschritten. Insbesondere die junge Generation erfährt, dass Erlebnisse ohne Ersparnisse kaum mehr möglich sind. Dennoch: Die Deutschen werden ärmer – aber nicht unglücklicher. Sie intensivieren ihre sozialen Beziehungen zu Familie, Freundeskreis und Nachbarschaft. Sie machen aus der Not eine Tugend. Und das heißt: Gut leben statt viel haben.
Im Jahr 2030 werden unsere Kinder mitten im Leben stehen. Was wird ihr Leben von unserem unterscheiden – was werden sie gewonnen, was verloren haben?
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Opaschowski: Es wird eine Leistungsexplosion unserer Kinder geben. Leistung und Lebensgenuss werden für sie keine Gegensätze mehr sein. Sie müssen Abschied nehmen von der Wohlstands- und Anspruchsgesellschaft. Sie machen die Erfahrung des Aufeinander-Angewiesen-Seins. Die Zukunft unserer Gesellschaft gehört einer Gemeinschaft auf Gegenseitigkeit.
Die Prognosen insgesamt sind ja eher bedrückend: Terrorismus, Klimakatastrophe, Energiekrise, Greisenrepublik, Politikverdrossenheit – haben wir noch etwas vergessen?
Opaschowski: Es sind vor allem die Probleme des langen Lebens und der ständig steigenden Lebenserwartung. Die bloße Lebensverlängerung allein ist doch kein sozialer Fortschritt. Viel wichtiger ist die Frage, ob es sich überhaupt lohnt, so lange zu leben.