Essen. Reichen 215 Euro im Monat, um ein Kind zu ernähren und ihm ein Leben in Würde zu bieten? Seit heute beschäftigt sich das Bundesverfassungsgericht mit diesen Fragen. Konkret geht es um das Sozialgeld für Kinder von Hartz-IV-Empfängern. Hat die Bundesregierung die Höhe willkürlich festgelegt?

Karlsruhe muss heute die seit 2005 geltende Hartz-IV-Reform überprüfen. In den anhängigen Streitfällen bekamen Kinder unter 14 Jahren die ursprünglich geltenden Regelsätze von monatlich 207 Euro. Insgesamt hatten drei Familien aus Dortmund, dem bayerischen Landkreis Lindau am Bodensee und aus Hessen geklagt. Neben dem Landessozialgericht Hessen entschied Anfang des Jahres auch das Bundessozialgericht in Kassel, dass die pauschal verringerte Regelleistung für Kinder verfassungswidrig sei. Sie verstoße gegen den im Grundgesetz festgeschriebenen Gleichheitsgrundsatz. Sie diskriminiere besonders Kinder unter 14 Jahren.

Außerdem erklärten die Bundessozialrichter, es sei nicht ersichtlich, wie die Regierung den Bedarf der Kinder ermittelt habe. Ob die Höhe der Leistungen ausreicht, ließen sie allerdings offen. Letztlich legten beide Gerichte die Verfahren dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vor. Heute wird in Karlsruhe mündlich verhandelt. Heute wird dort auch Detfef Scheele, Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium, darlegen, warum die Bundesregierung die Kinderregelsätze und ihre Berechnung für angemessen hält.

Auf Anfrage der WAZ teilte eine Sprecherin des Bundesarbeitsministeriums gestern mit, dass die Regelsatzbemessung nicht in einer Nacht- und Nebelaktion geschehen sei. Vielmehr habe es Anhörungen und viele Veranstaltungen im parlamentarischen Raum mit Verbandsvertretern und Wissenschaftlern gegeben. „Der gesamte Prozess lief geordnet, mit Sorgfalt und absolut transparent ab. Die Bundesregierung ist sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung im Bereich der Kinderregelsätze bewusst.”

Obwohl das Urteil erst Anfang 2010 erwartet wird, dürfte bereits in der heutigen Verhandlung deutlich werden, wie die höchsten Richter über die Berechnungspraxis denken. Inzwischen wurden die Sätze für das Sozialgeld zum 1. Juli 2009 leicht erhöht - und zwar auf 215 Euro für Kinder bis 5 Jahren und auf 251 Euro für Kinder von 6 bis 13 Jahren. Das sind 60 beziehungsweise 70 Prozent des Erwachsenen-Regelsatzes für das Arbeitslosengeld II von 359 Euro im Monat. Dieser Regelsatz von 359 Euro stehen einem alleinstehenden Erwachsenen zu.

Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit liegt die Zahl der Hartz-IV-Empfänger in Deutschland derzeit bei rund 6,5 Millionen. Davon beziehen gut 4,7 Millionen Menschen Arbeitslosengeld II und 1,67 Millionen Kinder unter 15 Jahren Sozialgeld. Sollte Karlsruhe am Ende entscheiden, dass das Sozialgeld für Kinder viel zu niedrig ausfällt, kommen auf die schwarz-gelbe Regierungskoalition Mehrausgaben in Milliardenhöhe zu.