Berlin. Beide Seiten wollen die schwarz-gelbe Koalition, aber leicht machen sie es sich nicht. Union und FDP geraten hart aneinander und die Parteichefs lassen rechnen und rechnen

Gute Gastgeber erkennt man nicht zuletzt an der Liebe zum Detail. Vor dem Europasaal in der NRW-Vertretung stellen die Mitarbeiter einen Tisch mit Naschzeug in den Farben der Koalitionäre auf: Lakritz und gelbe Fruchtgummis. Daneben liegen auch Taschentücher und Aspirin. Einige Unterhändler sind verschnupft, nicht wenige sind dies eher politisch.

In den Koalitionsverhandlungen scheint der Bazillus bevorzugt die Niedersachsen erwischt zu haben. Regierungschef Christian Wulff (CDU) wirft der FDP einen „finanzpolitischen Blindflug” vor und nennt ihre Steuerpläne „unseriös.” Nicht so aufgeregt, geradezu smart, aber genau so hart in der Sache stellt der Liberale Philipp Rösler zum Gesundheitsfonds fest. „Darauf haben wir uns nicht verständigt.” Am Vorabend hatte seine CDU-Kollegin Ursula von der Leyen noch das Gegenteil behauptet. Lange Gesichter. Und doch kennt NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers niemanden in der Runde, „der nicht überzeugt ist, dass wir das in der nächsten Woche schaffen.” So lange versuchen die Parteichefs die Streitfragen zu klären und lassen immer wieder rechnen.

Sie müssen sagen, so Rüttgers, „wo gegebenenfalls gekürzt werden soll”. Der Vertrag werde „nicht nur Wohltaten enthalten”. Zum Beispiel droht ein Anstieg der Beiträge für Gesundheit-, Pflege und Arbeitslosenkasse. Es ist also nicht ausgemacht, dass die Steuersenkungen für alle Bürger zum Gewinnerthema werden. Eine Volkspartei wie die Union muss aber genau darauf achten. Wulffs Attacke galt der FDP und ihrem Chef Guido Westerwelle, aber auch seiner Kanzlerin: Zu nachgiebig soll Angela Merkel nicht sein.

Westerwelle beinhart

Westerwelle verhandelt bei der Steuerfrage beinhart. Von ihm stammt das Wort vom „Casus Belli”, vom Kriegsfall. Er ist es aus, der auf Wulffs groben Klotz einen harten Keil setzt. Wenn Wulff die Mehrheit der Union wiedergebe, sei man „durch”. Das Kontrastprogramm zum Eklat ist das „neue Traumpaar”, das ein CDU-Präsidiumsmitglied spöttelnd ausmacht. Er meint damit Innenminister Wolfgang Schäuble und die Liberale Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die als künftige Justizministerin gilt.

Ginge es nach den beiden, wären die Koalitionäre längst fertig geworden. Wobei die Verzögerung durchaus den willkommenen Nebeneffekt hat, dass die Zeitspanne zwischen Einigung und den Parteitagen, die den Vertrag dann billigen müssen, verkürzt wird: Je weniger Zeit bleibt, um einen Vertrag zu zerreden, desto besser.