Essen. "Wie halten wir unseren akademischen Nachwuchs im Land?" Das wollte WAZ-Chefredakteur Ulrich Reitz in seiner Talkshow von prominenten Gästen wissen. Ein Patentrezept gegen Auswanderung hatte keiner mitgebracht. Aber alle plädierten für die Zuwanderung junger Talente aus dem Ausland.

Sie packen ihre Koffer und sind einfach weg: Junge, gut ausgebildete Akademiker verlassen NRW, finden gut bezahlte Jobs: in der Schweiz, in Norwegen, in Übersee. „Wie halten wir unseren Nachwuchs im Land?”, wollte WAZ-Chefredakteur Ulrich Reitz in seiner Talkshow wissen. Schnell wurde klar: Gegen die fatalen Folgen dieser massiven Abwanderung hilft vor allem Zuwanderung. „Wir müssen unsererseits Talente nach Deutschland holen”, meint Bruno O. Braun, Chef der TÜV Rheinland Group.

"Wir bauen Hürden auf"

„Deutschland ist immer noch kein Einwanderungsland. Wir bauen Hürden auf, statt den ausländischen Akademikern zu signalisieren, dass wir sie dringend brauchen. Denen müssen wir schon etwas mehr bieten als die Perspektive auf einen befristeten Aufenthalt”, glaubt Christiane Schönefeld von der Bundesagentur für Arbeit.

Auch NRW-Innovationsminister Andreas Pinkwart (FDP) wünscht sich „Zuwanderung in Arbeit, nicht in die Sozialsysteme. Ohne Zuwanderung gäbe es diese Metropole Ruhr ja gar nicht”, so der Minister. Ulrich Reitz sprach indes von einem brach liegenden Potenzial: „In Deutschland leben 800.000 Akademiker, deren Abschlüsse nicht anerkannt werden.” Etwas mehr Toleranz könne hier nicht schaden. Darin war sich die Runde einig. "Aber wir müssen fair bleiben all denen gegenüber, die hier mit viel Fleiß ihren Abschluss gemacht haben. Ich könnte mir eine Teil-Anerkennung ausländischer Zeugnisse vorstellen", so Pinkwart.

"Ein Auslandssemester war nicht drin"

Eine Diskussion über den Uni-Standort NRW ist in diesen Tagen besonders brisant. An den Unis gärt es, Studenten sagen „Bäh” zum Bachelor, sie stürmen auf die Straßen und besetzen Hörsäle. „Ja, es gibt Missstände”, sagt Linda Herten, Politik-Studentin von der Uni Duisburg-Essen. Ihr Bachelor-Studium sei total verschult gewesen: „Ein Auslandssemester war bei dieser engen Vorgabe gar nicht drin.” Besser sei es erst jetzt, im Master-Studium.

„Was hindert Sie daran, Ihren Master in Paris oder woanders zu machen? Die neuen Abschlüsse lassen das zu.” So bricht der Ingenieur Bruno O. Braun eine Lanze für den bei vielen Studenten so unbeliebten „Bologna”-Prozess.

Früher war nicht alles besser

War denn früher, vor der Einführung von Bachelor und Master, alles besser an den Unis? Mitnichten, meinen die älteren Teilnehmer: Die Hörsäle waren noch voller, die Zahl der Studienabbrecher größer, und die Ausbildung dauerte länger. „Wir hatten noch nie so viele Erstsemester und Absolventen wie heute”, unterstreicht Andreas Pinkwart. Der Minister beschwört schon mal den kommenden „Wettbewerb der Ruhr-Uni Bochum mit Berkeley” herauf. Rektor Elmar Weiler träumt ebenfalls von mehr Exzellenz. Mit Nostalgie kann er nichts anfangen: „Früher wurde fast keiner in der Regelstudienzeit fertig. Heute sind die Fächer viel studierbarer.”

Das aktuelle „Reitz-Thema” wird übrigens am heutigen Freitag Abend um 22 Uhr im Fernsehsender NRW TV ausgestrahlt. Es gibt noch zwei weitere Sendetermine: am nächsten Samstag und Sonntag, jeweils um 12.30 Uhr.