Berlin. Franz Josef Jungs politische Karriere folgte dem Peter-Pinzip. Der CDU-Mann ist so lange befördert worden, bis er an seine Grenzen stieß: Bis der Hesse 2005 die Berliner Bühne betrat. Da wurde er – zu seiner eigenen Überraschung – Verteidigungsminister der Großen Koalition.
Der Winzersohn selbst hatte eher mit dem Agrarministerium spekuliert; da wäre der Schuster beim Leisten geblieben. Aber letztlich fühlte sich die Kanzlerin verpflichtet, dem engen Vertrauten des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch einen klassischen Posten in ihrem Kabinett anzubieten.
Das Ressort hat Kochs Statthalter, wie er von Anfang an genannt wurde, mit einer kleinen Truppe von Vertrauten geführt, die für viele im Ministerium zu ruppig und nassforsch auftraten. Jung selbst wurde von seinen Kollegen als Mensch geschätzt. „Ein netter Kerl”, versicherten unisono Christ-und Sozialdemokraten. Für ein politisches Schwergewicht hielten sie ihn nicht.
Sein größtes Problem war der Umgang mit der Öffentlichkeit. Unter ihrem Brennglas wirkte er verkrampft. Auch mit der Gefühlswelt der Soldaten in Afghanistan tat er sich schwer. Sie erlebten die Mission als Krieg – ihr Minister klammert sich an die blutleere Formel vom „Sicherungseinsatz”. Als die ersten Meldungen vom Luftangriff auf einen Tanklastzug nahe Kundus Anfang September bekannt geworden waren, ließ der Minister die Möglichkeit, dass zivile Opfer drohten, nur langsam an sich heran. Es dauerte zwei Tage, bis er in Betracht zog, dass etwas schief gelaufen sein konnte.
Der Krampf dieser Tage holt ihn jetzt ein, wo er den Schleudersitz Verteidigungsministerium schon hinter sich wähnte und auf eine zweite Chance als Sozialminister der schwarz-gelben Koalition hoffte.
Einen Rücktritt lehnt er ab; Jung ist mit sich im Reinen. Aber es wird einsam um ihn. Parteifreunde gehen auf Distanz. Im Bundestag ignorierten ihn gestern die Kanzlerin und sein Amtsnachfolger zu Guttenberg. Kaum war die „Vertuschungsaffäre” bekannt geworden, legte Unions-Fraktionschef Volker Kauder die Messlatte an: Jung müsse klarstellen, „ob er es gewusst hat oder nicht”. Er wäre nicht der erste, der über den Umgang mit der (Un)Wahrheit stolpert.