An dieser Stelle kommentieren Professoren aus dem Ruhrgebiet jeden Montag aktuelle ökonomische Themen. Christoph M. Schmidt ist Professor an der Ruhr-Universität Bochum und Präsident des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) Essen.
In der aktuellen Wirtschaftskrise wird vielfach die Frage aufgeworfen, ob angesichts des erreichten Lebensstandards – abgesehen von der Phase zwischen 2005 und 2008 war der durchschnittliche Bundesbürger noch nie so wohlhabend – denn nicht ein weitgehender Verzicht auf weiteres Wirtschaftswachstum geboten oder gar anzuraten sei.
Einige sehen auch gar keine ernsthafte Möglichkeit mehr für ein weiteres Wachstum. Diese Argumentation erinnert unter anderem an die aus heutiger Perspektive recht abwegig anmutende, vor einigen Jahrzehnten jedoch viel beachtete Einschätzung des „Club of Rome", der angesichts der (vermeintlichen) Grenzen des Wachstums nichts weniger als den absehbaren Weltuntergang vorausgesehen hatte. Doch was bewirkt Wirtschaftswachstum tatsächlich? Sicherlich mehr als stetig steigende Konsummöglichkeiten, nämlich ein Mehr an persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten, an Aufstiegschancen gerade auch für die weniger Wohlhabenden und an Möglichkeiten, persönliche Lebensrisiken abzusichern.
Ein gutes Beispiel hierfür ist der medizinisch-technische Fortschritt: Das Streben nach besserem Verständnis natürlicher Vorgänge ist nicht nur Teil der menschlichen Wesensart, sondern erzeugt auch individuelle Lebensqualität, auf die Menschen wohl nicht ernsthaft verzichten wollten.
Der beste Beleg dafür, wie Wirtschaftswachstum und Lebensqualität im Zeitablauf im Einklang miteinander zugenommen haben, ist die beständig gestiegene Lebenserwartung bei der Geburt. Noch vor wenigen Jahrzehnten starben selbst in den reicheren Volkswirtschaften viele Kinder bereits in den ersten Lebensmonaten. Heutzutage ist dieses Phänomen weitgehend verschwunden. Dabei sind nicht nur die medizinisch-technischen Möglichkeiten gewachsen, Krankheiten zu heilen, die vormals unbesiegbar schienen, sie stehen auch immer mehr Menschen zur Verfügung und werden verstärkt in Anspruch genommen.
Kosten entstehen auch durch neue Infektionskrankheiten wie aktuell die „Schweinegrippe", die sich zu einer Pandemie auswachsen könnte. Um dies soweit es geht zu verhindern oder zumindest einzudämmen, werden Frühwarnsysteme, antivirale Therapien und insbesondere geeignete Impfstoffe benötigt.
Auch deren Entwicklung und Produktion benötigt erhebliche Ressourcen. Wirtschaftswachstum ist also keineswegs Luxus, sondern nötig, damit sich unsere Gesellschaft – und damit auch jedes einzelne ihrer Mitglieder – in den verschiedensten Bereichen weiter entwickeln kann.
An dieser Stelle kommentieren Professoren aus dem Ruhrgebiet jeden Montag aktuelle ökonomische Themen. Christoph M. Schmidt ist Professor an der Ruhr-Universität Bochum, Präsident des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) Essen und Mitglied des Sachverständigenrats der Bundesregierung.