Düsseldorf. Die Billiglohnländer haben ihre Anziehungskraft auf deutsche Unternehmen weitgehend eingebüßt. In den vergangenen drei Jahren sank die Zahl der Produktionsverlagerungen ins Ausland um 40 Prozent. Das ergab eine Studie des Fraunhofer Instituts für den Verein Deutscher Ingenieure (VDI).

„Erstmals gibt es in wirtschaftlich schwierigen Zeiten keinen Anstieg der Verlagerungen”, erklärte VDI-Direktor Willi Fuchs gestern in Düsseldorf. Demnach haben zwischen 2007 und 2009 nur noch 1750 Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes ihre Produktion oder Teile davon ins Ausland verlagert. In den drei Jahren zuvor waren es noch fast doppelt so viele (3200). Von allen Unternehmen der Branche haben zuletzt neun Prozent zumindest einen Teil ihrer Fertigung ins Ausland verlagert. Noch vor wenigen Jahren wagte jedes vierte Unternehmen diesen Schritt.

Auf jeden dritten Verlagerer kommt ein Rückkehrer

Inzwischen kommt auf jeden dritten Verlagerer ein Unternehmen, das seine Produktion aus dem Ausland zurück nach Deutschland holt. Mitte der 90er Jahre lag die Quote erst bei eins zu sechs. Fuchs' Fazit: „Made in Germany schlägt niedrige Kosten.”

Überhaupt: die Kosten. Die niedrigen Löhne waren das Hauptargument, Fabriken in Asien und später in Osteuropa zu bauen. Inzwischen steigen die Löhne und liefern den Grund, nach Deutschland zurückzukehren. Jedes dritte Unternehmen, das seine Zelte im Ausland abbricht, gibt die Personalkosten als Grund an.

Jede zweite Rückverlagerung aus Osteuropa

„Die Attraktivität der neuen EU-Länder scheint zunehmend infrage gestellt zu sein”, sagt Fraunhofer-Experte Steffen Kinkel. Jede zweite Rückverlagerung kommt mittlerweile aus Osteuropa. Um 20 bis 30 Prozent würden die Löhne dort jährlich steigen – und das konstant über mehrere Jahre.

Reuige Rückkehrer

Spektakuläre Betriebsverlagerungen wie etwa der Nokia-Handyfertigung aus Bochum nach Rumänien lösen Standortdebatten aus und rufen die Politik auf den Plan. Doch sie sind Ausnahmen, die meisten Verlagerungen finden unbemerkt im Mittelstand statt.

Auch die Rückkehr, wenn es nicht geklappt hat, vollziehen die Unternehmen eher leise. Zu den bekanntesten Markenherstellern, die ihre Fertigung aus China nach Deutschland zurückgeholt haben, gehört Steiff. Produktionsmängel wie ungenau platzierte Augen ließen sich nicht mit Qualitätsanspruch und Preisniveau der Stofftier-Kultmarke vereinbaren. Auch Süßwarenhersteller Katjes schloss nach Qualitätsproblemen ausländische Fabriken und baute stattdessen ein neues Werk in Potsdam.

Somit fallen die Einsparungen beim Personal nicht mehr so stark ins Gewicht. Ohnehin ist der Anteil der Personalkosten an den Gesamtkosten im verarbeitenden Gewerbe nicht sehr hoch. Um es anschaulich zu machen: Selbst wenn ein Unternehmen im Ausland die Hälfte der Personalkosten spart, wird die Produktion nur um fünf bis sechs Prozent günstiger.

Qualitätsprobleme sind der Hauptgrund

Auch China ist nicht mehr das gelobte Billiglohn-Land. Zwar steigt die Zahl der Betriebe, die dort ihr Glück versuchen, immer noch. Allerdings kommen auch immer mehr Unternehmen aus China zurück nach Deutschland – wegen gestiegener Personalkosten. Und weil sie mit der Qualität nicht zufrieden sind.

Qualitätsprobleme waren bei zwei von drei Unternehmen der Grund für die Rückkehr. VDI-Direktor Fuchs wundert das nicht. „Gerade bei kostengetriebenen Verlagerungen erweisen sich manche Annahmen als Trugschluss.” Wenn nämlich die Zulieferer vor Ort nicht die gewünschte Qualität liefern, müssen die Teile woanders beschafft werden. Dadurch steigen die Transport- und Logistikkosten wieder. „Wer die hohe Qualität deutscher Produkte auch bei der Produktion im Ausland garantieren will, zahlt nicht selten drauf”, sagt Fuchs.

Mit Verlagerungen neue Märkte erschließen

Abhalten will der VDI zwar kein Unternehmen, denn um neue Märkte zu erschließen, sei eine Verlagerung ein guter Weg. Personalkosten sollten laut Fuchs aber nicht das Hauptargument sein. Intelligenter und wirtschaftlich sinnvoller als eine Verlagerung sei es, Prozesse zu optimieren und die Automatisierung voranzutreiben. Die Ergebnisse der Studie stimmten zuversichtlich: „Wir erleben eine Renaissance des Produktionsstandorts Deutschland.”