Washington. 20 Tage vor der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen gelten die USA wieder als "bad guys" der internationalen Verhandlungen. Weil wichtige Klimagesetze im US-Kongress feststecken, soll ein verbindliches weltweites Abkommen erst 2010 verhandelt werden. Das Warten aber könnte sich lohnen.
15 Dollar kostet das Shirt, und es hängt an vielen Ecken in Washington. „Nope” prangt da unter dem Porträt Barack Obamas. Früher stand dort „Hope”. „Nope” bedeutet übersetzt ein schnodderiges „Nö”. Es ist der neue Sinnspruch der Republikaner, das Textil gewordene Misstrauen gegenüber einem Präsidenten, der nun mitten in den schwersten innenpolitischen Schlachten steht. Eine davon heißt Klimaschutz.
Klimaschutz könnte bald freiwillig werden
Nur noch 20 Tage bis zur Klimakonferenz in Kopenhagen, und wieder sind die USA die „bad guys” der globalen Umweltpolitik. Es sei unrealistisch, ein international bindendes Abkommen bis zum Beginn der Gespräche in der dänischen Hauptstadt ausarbeiten zu können, sagte Obamas Klima-Unterhändler Michael Froman. Eigentlich sollte in Kopenhagen fix und fertig ausgehandelt werden, welche Regeln im Klimaschutz gelten, wenn Ende 2012 das Kyoto-Protokoll ausläuft. Ohne ein Folgeabkommen wäre Klimaschutz schon in Kürze nicht mehr völkerrechtlich verbindlich, sondern freiwillig.
Es blieb nicht die einzige kalte Dusche für Klimaschützer. Auch China will die Verhandlungen vertagen. Japan und 18 weitere Mitgliedsländer des asiatisch-pazifischen Wirtschaftsforums schlossen sich an. „Zwei Schritte, ein Abkommen” heißt nun die Strategie: Kopenhagen soll lediglich in einer politischen Erklärung den Rahmen weiterer Verhandlungen festlegen. Im kommenden Jahr könnte der eigentliche Klimavertrag besiegelt werden.
„No, we can't”
„No, we can't” heißt es derzeit in Washington. Noch hängt im Kongress ein Energie- und Klimaschutzgesetz fest. Im Sommer nahm das Repräsentantenhaus den Entwurf der Demokraten Henry Waxman (Kalifornien) und Edward Markey (Massachusetts) an. Ein zweiter Entwurf wird nun im Senat diskutiert. Dort aber braucht ein Gesetz eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Dort stimmen selbst demokratische Senatoren gegen Klimaschutz, weil in ihren Wahlkreisen Kohle, Autos oder Stahl die Jobs sichern.
Die Krux ist die: Ohne Klimagesetze in den USA will China seinerseits keine Auflagen akzeptieren. Aus Gründen der Gerechtigkeit, heißt es: Statistisch entfallen auf einen Chinesen vier Tonnen Kohlendioxid, auf einen US-Bürger 20 Tonnen.
Werben für Geduld
Gleichzeitig aber können die USA in Kopenhagen nichts unterschreiben, ohne dass zuvor der Kongress zugestimmt hat. Obamas Klima-Wende, sie hängt fest.
"Eine Frage des Überlebens"
Der neue Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) hat einen dramatischen Appell an die USA gerichtet.
"Es gibt keine Alternative zum Erfolg. Und ein Teil des Erfolgs ist, dass alle dabei sind. Dazu gehören zwingend auch die USA”, sagte der Minister in einem Interview mit dem „Focus”. In Kopenhagen müsse zwingend ein neues Klimaschutzabkommen geschlossen werden. Bei der UN-Konferenz vom 7. bis zum 18. Dezember gehe es „nicht um abstrakte Expertendiskussionen”, sondern um eine Schicksalsfrage: „Es ist eine existenzielle Frage: Überlebt unser Planet oder geht er bald unter?” so Röttgen.
Scheitert also Kopenhagen, ehe die Konferenz begonnen hat? In den politischen Denkfabriken Washingtons wirbt man um Verständnis für die USA. „Europa sollte nicht mit den Fingern auf andere zeigen”, meint Joe Bluestein, Präsident des „Energy and Environmental Analysis”. Die USA würden schon bald „durchstarten”. Obama könne nicht in weniger als einem Jahr die Versäumnisse eines Jahrzehnts aufholen, sagt Alexander Ochs, Klimaexperte beim Worldwatch Institut.
Revolutionen - aus US-Sicht
Was in Europa kaum Beachtung gefunden hat: In beiden Gesetzentwürfen stecken aus US-Sicht Revolutionen. Die Einführung des Emissionshandels mit zumindest langfristig anspruchsvollen CO2-Sparzielen, strenge Verbrauchs-Obergrenzen für Autos, Energiespar-Programme für Häuser und Gebäude, der Ausbau erneuerbarer Energien. Der Rest ist Pokern: Möglich ist, dass sich die Republikaner ihr Ja zum Klimaschutz durch Atomenergie und Ölbohrungen vor der Küste bezahlen lassen.
Gewinnt also der US-Kongress wertvolle Zeit, wenn sich Kopenhagen vertagt? „Nicht unbedingt”, glaubt Michael Mehling, Präsident des Ecologic Instituts in Washington. Ende 2010, zur Halbzeit in Obamas Amtszeit, finden die nächsten Wahlen statt. Schon im April beginne der Wahlkampf. Ein Thema haben die Republikaner jetzt schon: Klimaschutz koste Jobs.