Düsseldorf. Den Gewerkschaftsbund und die Volkshochschulen kennt jeder. Die Initiative „Arbeit und Leben”, die beide seit 60 Jahren tragen, ist indes fast unbekannt. Das Jubiläum nahm NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) zum Anlass, die deutsche Weiterbildungslandschaft zu kritisieren.
„Diejenigen, die Bildung wirklich nötig haben, erreichen wir gar nicht mehr”, sagte Laumann bei der ersten Verleihung des Preises „Demokratie im Betrieb” in Düsseldorf. Er besuche oft Bildungseinrichtungen und müsse immer wieder feststellen: „In Stil und Kultur haben sie sich in den letzten 20 Jahren nicht weiterentwickelt.”
In die Bestandsaufnahme bezog der Minister auch andere ein: „Ich glaube nicht, dass Gewerkschaften, Kirchen oder Parteien noch Kontakte zu den bildungsfernen Schichten haben. Einen bestimmten Anteil der Bevölkerung erreichen wir gar nicht mehr. Das ist ein Riesenproblem.”
Aus Kartoffeln Reibeplätzchen machen
Den Schlüssel vermutet er am ehesten beim DGB, der der Unterschicht zu erkennen geben könne: „Wir kümmern uns um kleine Leute.” Laumann, selbst Mitglied der IG Metall: „Wir müssen die Leute daran erinnern, dass man aus Kartoffeln Reibeplätzchen machen kann. Die schmecken und kosten nicht viel.” Man müsse diese Klientel auch darauf aufmerksam machen, dass es viel teurer ist, an Kiosken und Tankstellen einzukaufen. „Die Mittelschicht tut das nicht so häufig.”
Laumann nahm aber auch die Wirtschaft in die Pflicht: „Um die Stammbelegschaft zu schützen, mussten wir Zeit- und Leiharbeit zulassen. Damit haben wir aber auch zugelassen, dass manche allein durch Fleiß und Bildung nicht mehr auf einen grünen Zweig kommen können.” Die erhebliche Zunahme von befristeten Arbeitsverhältnissen nahm Laumann zum Anlass, „die entscheidende Gerechtigkeitsfrage nach der Beteiligungsgerechtigkeit unabhängig vom Elternhaus” zu stellen.
20.000 Teilnehmer an Weiterbildungs-Veranstaltungen
Diese Beteiligung will die Initiative „Arbeit und Leben”, die DGB und Volkshochschulen 1949 in NRW gründeten. Die 44 Festangestellten und rund 900 Referenten organisierten voriges Jahr mit einem Budget von 4,4 Millionen Euro über 1100 Veranstaltungen, in denen sich 20 000 Teilnehmer weiterbildeten.
„Beteiligung bedeutet auch die Abgabe von Macht”, sagte Regina Schumacher-Goldner, die neben DGB-Chef Guntram Schneider „Arbeit und Leben” leitet. Macht müssen Unternehmer abgeben, die ihre Arbeitnehmer mitentscheiden lassen. Der erstmals ausgeschriebene Preis „Demokratie im Betrieb” soll genau diese Menschen fördern.
Preis "Demokratie im Betrieb"
Mit dem ersten Preis zeichnete die Jury Sascha Hartmann aus. Er ist Jugend- und Auszubildendenvertreter bei des Essener Werkzeugmachers Copco Construction Tools GmbH. Nachdem Hartmann öffentliche Aktionen organisiert und ältere Kollegen zur Solidarität aufgefordert hatte, ließ sich die Firma umstimmen und übernahm die Azubis. Die beiden zweiten Preise gingen an Thomas Heinemann, Vorsitzender der Mitarbeitervertretung des Christlichen Jugenddorfwerks Dortmund, und an den Betriebsrat des Bauspezialisten Hering Bau in Siegen.