Witten. Wie muss ein Beipackzettel für Medikamente aussehen, damit er dem Kranken keine Angst macht, sondern ihm hilft und ihn aufklärt? So lautet ein Arbeitsauftrag für eine Studie, den Wissenschaftler der Privatuniversität Witten/Herdecke vom Bundesforschungsministerium erhalten haben.

Hintergrund: Milliarden Euro werden jährlich im deutschen Gesundheitswesen verschwendet, weil Patienten nach der Lektüre von Beipackzetteln skeptisch sind, ob ihnen die verordnete Medizin nicht mehr schadet als nützt. Das Mittel wandert dann nicht selten in den Müll.

Petra Thürmann, Pharmakologie-Professorin am Helios Klinikum Wuppertal und Leiterin der Studie, verweist auf die gesetzlichen Vorgaben. „Die Pharmafirmen wollen sich gegen Klagen absichern und führen in Beipackzetteln alles auf, was jemals beobachtet wurde. Sei es noch so selten.” Dies führe zu Texten, die Patienten verunsicherten und ängstigen oder die auf Grund ihrer Ausführlichkeit viele gar nicht beachteten. „Wir hatten Beipackzettel in einer Länge von einem Meter in der Hand. So etwas liest kein Mensch. Wir möchten aber, dass die Leute das tun. Denn wenn jemand mit Bluthochdruck sein Mittel nicht nimmt, riskiert er später einen Schlaganfall oder Herzinfarkt. Und das müsste auch im Beipackzettel stehen, tut es aber nicht. Der Patient muss aber wissen, warum er etwas nehmen soll.” Zur Veranschaulichung müssten Pharmafirmen auch mehr mit Grafiken und Bildern arbeiten. „Das Kleingedruckte ist für die Leute manchmal nicht nur schwer zu verstehen, sondern dazu kaum zu lesen.”

Medikamenten-Handbuch

Petra Thürmann, die auch für das Medikamenten-Handbuch der Stiftung Warentest über Nebenwirkungen von Arzneimitteln schreibt, lobt Briten und Franzosen. „Deren Beipackzettel sind viel kürzer. Man ist pragmatisch, führt nur das auf, was wirklich wichtig ist.” In Deutschland dagegen würden Kranke häufig mit Informationen versorgt, mit denen sie nicht wirklich etwas anfangen könnten. „Da steht dann, dass das Mittel die Leber schädigt. Nur wie erkennt das der Laie? Besser wäre zu schreiben: Ihr Urin verfärbt sich dunkel, die Augen werden gelb.” Im September wollen die Wissenschaftler der Universität Witten/Herdecke Passanten in den Innenstädten von Bochum und Witten verbesserte Beipackzettel vorstellen und die Menschen um deren Meinung dazu bitten.

Zu viel verschrieben

Die Arzneimittel-Expertin gibt zu, dass in Deutschland manchmal auch zu viel verschrieben werde. „Antibiotika zum Beispiel. Wer mit einer Erkältung zum Arzt geht, kommt nicht selten mit einem solchen Rezept zurück. Die Erkältung wäre nach fünf Tagen aber auch ohne Antibiotikum weg.” Leider, so die Wuppertaler Professorin, würden Ärzte ihre Patienten häufig gar nicht oder nur unzureichend über Arzneimittel-Nutzen und -Risiken informieren. „Das hat auch damit zu tun, dass die Pharmakologie in der Mediziner-Ausbildung sehr stiefmütterlich behandelt wird. Viele Ärzte wissen da leider wenig.”

Die Folge sei, dass Chirurgen in der Regel ein höheres Risikobewusstsein bei ihren Eingriffen hätten, als Doktoren, die eine Pille verordneten. Um das Risiko von Neben- und Wechselwirkungen gering zu halten, fordert Petra Thürmann Patienten auf, dem Arzt unbedingt immer zu sagen, „was man für Arzneien nimmt. Informieren Sie ihn, auch wenn er nicht danach fragt”.