Essen/Ansbach. Im bayrischen Ansbach hat ein mit einer Axt, zwei Messern und zwei Moltowcocktails bewaffneter Abiturient seine Schule in Panik versetzt. Neun Menschen wurden verletzt.

Ansbach, fränkisch, beschaulich, sehr bayerisch anzusehen, diese Kleinstadt vor Nürnberg; bis Donnerstagvormittag ist auf den Seiten der Stadt etwas altväterlich zu lesen: „Wenn in Ansbach von Greueltaten berichtet wird, dann kann sie nur einer begangen haben: der Wilde Markgraf.” Seit 8.35 Uhr aber ist das Vergangenheit: Da versetzt der 18-jährige Georg R. mit einer Axt, zwei Molotowcocktails und zwei Messern seine Schule in Panik. Er dringt in das altehrwürdige Gymnasium Carolinum ein, hinterlässt in nur zehn Minuten eine Spur den Schreckens, verletzt bei seinem Amoklauf zwei Schülerinnen schwer, sieben weitere Menschen leicht.

Als die Polizei ihn nur elf Minuten später im dritten Stock stellt, stoppt sie ihn mit fünf Schüssen aus der Maschinenpistole: Denn trotz der Aufforderung, stehen zu bleiben, marschierte der 18-Jährige mit Axt und Messer weiter auf die Beamten zu. Nach den Schüssen bringt ein Krankenwagen den Schwerverletzten in ein Krankenhaus. „Der Täter ist außer Lebensgefahr”, sagt Einsatzleiter Udo Dreher auf einer Pressekonferenz am Mittag. Gegen ihn sei Haftbefehl wegen Mordversuchs erlassen worden.

Mädchen in Lebensgefahr

Das Leben einer 17-jährigen Schülerin ist dagegen auch am Abend noch nicht gerettet. Das Mädchen geht in die elfte Klasse, in jenem Klassenraum, in den R. auch noch einen Molotowcocktail warf. Welche Schreckensszenarien sich hier abgespielt haben müssen, dazu konnte die Polizei keine Angaben machen. „Die junge Frau hat schwerste Schädelverletzungen. Ob sie von der Axt herrühren oder dem Messer, wissen wir nicht”, so Dreher. Die zweite Schülerin, die schwer verletzt wurde, erlitt schwere Verbrennungen.

Ob Georg R. außer dieser elften Klasse noch andere Schüler direkt bedroht hat, bleibt am Donnerstag ebenfalls unklar. Zumindest eine Klasse soll sich verbarrikadiert, soll Tische und Stühle gegen die Tür gestemmt haben, um ihm den Zugang zu versperren.

Das Motiv kennt niemand. „Von einem Konflikt ist uns nichts bekannt”, sagt Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle: „Was ihn bewegt hat, auszurasten, wissen wir nicht.” So sieht das auch Schulleiter Franz Stark: „Ich hatte ihn früher selbst als Schüler, da war er gut.” Obwohl R. bis zu seinem Amoklauf eher „unauffällig” blieb, muss er die Tat geplant haben: Denn Molotowcocktails müssen gebaut werden, die nimmt man nicht spontan wie ein Gewehr aus einem zufällig nicht verschlossenen Schrank.

Doch gerade die Wahl der Brandflaschen hat eventuell größeres Leid, mehr Opfer, Verletzte oder sogar Tote verhindert. Denn der erste Molotowcocktails löst einen Brand im Klassenraum aus, der automatisch zu Alarm bei der Feuerwehr führt. Außerdem sei ein Schüler des 13. Jahrgangs couragiert eingesprungen, so Innenminister Joachim Herrmann: „Der junge Mann, der Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr ist, löschte das Feuer und alarmierte die Polizei.” Es mache Mut, wenn Zivilcourage praktiziert wird.

Lob an die Einsatzkräfte

Ein Lob spricht Herrmann auch den mehr als 100 Einsatzkräften aus. Die schnelle Festnahme des Täters, die reibungslose Evakuierung der Schule – das sei ein Zeichen, dass die Einsatzkonzepte griffen, die Schulen in Zusammenarbeit mit der Polizei entwickelt haben. Diese Konzepte entstanden seit dem Amoklauf von Eching 2002, bei dem vier Menschen starben.

Die knapp 700 Schüler des zweitältesten staatlichen Gymnasiums Bayerns sind nach dem Angriff zunächst in der benachbarten Agentur für Arbeit untergebracht. Dort spielen sich dramatische Szenen ab: Verängstigte Eltern suchten nach ihren Kindern, hofften sie unverletzt zu finden. Noch Stunden nach der Tat stehen hier Lehrer mit blutverschmierter Kleidung, Lehrer, die verletzte Kinder aus dem Gebäude führten. „Die sind fertig”, sagt Stark, der Schulleiter. Sie alle suchen nun Antworten für das Unfassbare, denn schließlich haben sie genauso wie die Kinder, Eltern und Lehrer in Erfurt oder Winnenden geglaubt, dass „unsere Schule ein sicherer Ort ist”. Bis gestern.