Gelsenkirchen. Die Vision von der blauen Emscher nimmt immer konkretere Formen an. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung wurde am Freitag getan. Am Standort des neuen Pumpwerks in Gelsenkirchen begann der Bau des Abwasserkanals. Ein weiterer Superlativ eines gigantischen Projekts.
Der Abwasserkanal ist mit einer Länge von 51 Kilometern der größte in Europa. Sogar noch einen Kilometer länger als der Eurotunnel, der Frankreich mit England verbindet – wenngleich etwas schmaler.
4,4 Milliarden Euro nimmt die Emschergenossenschaft insgesamt für den Emscherumbau in die Hand. Gut die Hälfte des Geldes ist in den vergangenen 18 Jahren bereits verbaut worden. 2020 soll die Vision dann Wirklichkeit sein.
Stinkendes und schmutziges Sinnbild
Als die Emschergenossenschaft sich 1991 dazu entschied, den Fluss umzugestalten, galt die Emscher als Sinnbild des Ruhrgebiets: stinkend und schmutzig. Das Bild des Reviers hat sich langsam gewandelt. Das Mammutprojekt, aus der „Köttelbecke” einen vitalen Fluss zu machen, dauert noch an.
1994 wurde die Kläranlage Dortmund-Deusen in Betrieb genommen, 1997 folgte Bottrop. Außerdem sind inzwischen mit rund 200 Kilometern fast die Hälfte der unterirdischen Abwasserkanäle an der Emscher und ihren Nebenläufen fertig gestellt.
Eine Milliarde Liter Wasser werden ab 2017 gepumpt
Jetzt kommen die Pumpwerke in Gelsenkirchen und Bottrop an die Reihe. Bis zu einer Milliarde Liter Abwasser sollen dort ab 2017 täglich gepumpt werden. Eine unglaubliche Menge. Vorstellen kann man sich das so: Jeder Haushalt in NRW gönnt sich an einem Tag ein Vollbad.
Damit der Kanal nicht in Dinslaken, wo die Emscher in den Rhein mündet, in 80 Metern Tiefe endet, muss das Abwasser gehoben werden. Dafür sind die Pumpwerke da. Das Prinzip: Von der Kläranlage Deusen geht es für das Abwasser in freiem Gefälle zum Pumpwerk Gelsenkirchen. 16 Pumpen fördern das Wasser aus 30 Metern Tiefe bis knapp unter die Oberfläche. Dadurch entsteht wieder genug Gefälle bis zum nächsten Pumpwerk in Bottrop.
Modernstes Abwassersystem der Welt
35 000 Kanalrohre mit Durchmessern bis zu 2,8 Metern müssen dafür verlegt werden. Nach außen sichtbar ist das modernste Abwassersystem der Welt nicht. Einzig das acht Meter hohe Betriebsgebäude wird darauf hindeuten.
„Dieser Abwasserkanal ist der bedeutendste heute wahrnehmbare und zukünftig weithin unsichtbare Baustein für die neue Emscher”, sagte Dr. Jochen Stemplewski, Chef der Emschergenossenschaft. Die feierte gestern mit großem Brimborium und reichlich Polit-Prominenz „Bergfest” des Umbaus. „Es geht um mehr als um den Bau eines Abwassersammlers”, so Stemplewski weiter. Muss wohl so sein, wenn selbst der schwarze Ministerpräsident Jürgen Rüttgers von „der Vision einer neuen grünen Mitte im Ruhrgebiet” sprach.