Dortmund. Der Umbau der Emscher läuft seit 18 Jahren. In diesem Jahr wird die letzte Lücke im Abwasserkanal zwischen der Emscherquelle in Holzwickede und der Kläranlage in Dortmund-Deusen geschlossen. Zeit für ein Zwischenfazit.
Man hat es nicht leicht als Anwohner der Straße „Am Marksbach“ in diesen Tagen. Dort, wo bis vor wenigen Monaten nur Anlieger und Fahrradfahrer die Fahrbahn passieren durften, rangieren jetzt Sattelschlepper und Baustellenfahrzeuge. Zehn Meter unter der Fahrbahndecke wühlt sich ein Bohrer durch das Erdreich, dessen Durchmesser bei knapp 1,6 Metern liegt. Der Lärm ist entsprechend.
„Wir sind in Dortmund im Endspurt“, sagt Franz-Josef Rüller, der die Baustelle am Marksbach als Projektleiter betreut. Bis Oktober werden in Dortmund die letzten 500 Meter eines unterirdischen Kanals gebaut. Dort, wo sich jetzt der riesige Bohrkopf durch die Erde quält, wird dann das Schmutzwasser fließen, das bislang durch die Emscher und ihre Nebenflüsse abgeleitet wurde. Bis es soweit ist, brauchen die Anwohner der Emscher-Baustellen starke Nerven.
Größte Baumaßnahme Europas?
Der Umbau der Emscher wurde in der Vergangenheit immer wieder als das „größte Bauprojekt Europas“ bezeichnet. Ob dieser Superlativ noch der Realität entspricht, ist ungewiss: „Um das zu beurteilen, müsste man ja einen ständigen Abgleich mit anderen Bauprojekten machen“, sagt Michael Steinbach, Pressesprecher der Emschergenossenschaft, die das Umbauprojekt leitet. Fakt ist, dass die Kosten des Emscher-Umbaus (4,4 Milliarden Euro) und die Dauer des Projekts (voraussichtlich 30 Jahre) enorm sind.
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Seit 1990 arbeitet die Emschergenossenschaft daran, den als „Köttelbecke“ verschrienen Abwasserfluss wieder sauber zu bekommen. In diesem Jahr soll die Lücke im Abwasserkanal zwischen der Emscherquelle in Holzwickede und der Kläranlage in Dortmund-Deusen geschlossen werden.
Damit wäre in ganz Dortmund das saubere Emscherwasser vom dreckigen Abwasser der Anwohner und Industriebetriebe getrennt, beziehungsweise „entflechtet“ wie Projektleiter Rüller den Prozess nennt. Irgendwann soll die Emscher wieder als idyllisches Naturbächlein fließen, befreit aus dem Betonflussbett, umgeben von einer Erholungs- und Erlebnislandschaft. Beispiele für diese naturnahe Umgestaltung gibt es schon bei einigen Nebenflüssen wie dem Deininghauser Bach in Castrop-Rauxel oder dem Dellwiger Bach in Dortmund.
Dass der Emscher-Umbau trotz dieser Positiv-Beispiele von den Bewohnern des Ruhrgebiets mitunter kritisch betrachte wird, verwundert Steinbach nicht: „Das meiste Geld wird in der Erde vergraben – davon sieht man nichts.“
Zwischenstand des Emscher-Umbaus
Die Emschergenossenschaft investiert insgesamt 4,4 Milliarden Euro in den Umbau des Emscher-Systems.
Mehr als 2 Milliarden Euro davon wurden seit 1990 bereits eingesetzt, von denen über 80 Prozent in "harte" siedlungswasserwirtschaftliche Infrastrukturmaßnahmen wie Kläranlagen und Abwasserkanäle geflossen sind.
Alle Abwasserkanäle sollen bis zum Ende des Jahres 2017 erstellt sein, die gesamte Gewässerumgestaltung soll bis 2020 erfolgen.
An der Baustelle „Am Marksbach“ hört man zumindest ziemlich deutlich, wie das Geld vergraben wird. Zehn Meter Vortrieb schafft der große Bohrkopf pro Tag. Im Minutentakt kommt eine Lore aus dem dunklen Bauloch zum Vorschein, vollgepackt mit Erdmassen, die der Bohrer abgelöst hat. Die größte bautechnische Herausforderung am Emscherumbau bringt Projektleiter Rüller ganz simpel auf den Punkt: „Vor dem Bohrkopf ist es düster.“ Man weiß also nicht, was einen im Erdreich erwartet. „In der Region gibt es zahlreiche Hohlräume durch wilden Bergbau“, sagt Steinbach, „die sind natürlich in keiner Karte verzeichnet.“
Eine Herausforderung ganz anderer Art beschreibt Dr. Jochen Stemplewski, Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft: „Das Projekt ist ein Langläufer und muss über Legislaturperioden hinaus präsent gehalten werden. Wir nehmen jetzt Dinge in die Hand, die erst in zehn oder 15 Jahren fertig sind – hier Unterstützung zu bekommen ist natürlich auch ein kommunikative Herausforderung.“
Herausforderungen, die sich lohnen, angenommen zu werden. Stemplewski zumindest ist sich sicher: „Das neue Emschertal ist längst keine Utopie mehr, sondern wird Schritt für Schritt Realität. Mit der Entwicklung des Emschertals schaffen wir eine neues grünes Herz des Ruhrgebiets. Das ist eine Chance für die ganze Region.“
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