Nun, da Barack Obama US-Präsident wird, wollen das viele zu einem politischen Wunder erheben: ein Schwarzer im Weißen Haus? Doch ist es wieder mal Zeit, sich von einem Amerika betreffenden Vorurteil zu trennen.
Nicht obwohl, sondern weil Obama schwarz ist, konnte er Präsident werden. Bis zum Schluss munkelte man, es könne ihm so ergehen wie Tom Bradley, dem schwarzen Bürgermeister von Los Angeles, der 1982 trotz eines großen Vorsprungs in den Umfragen die Wahl zum Governor of California verlor. Der Fall hat Schule gemacht in der Meinungsforschung: Weiße mit Rassenvorurteilen sollen, ähnlich wie Rechtsradikale in Deutschland, ihre wahre Haltung verbergen und die Meinungsforscher anschwindeln, um politisch korrekt zu erscheinen.
Unterdessen hat sich der Bradley-Effekt wohl umgedreht. In zwölf von fünfzehn Bundesstaaten stimmten bei den diesjährigen Vorwahlen der Demokraten im Schnitt sieben Prozent mehr Wähler für Obama, als sich zuvor in Umfragen für ihn ausgesprochen hatten. 120 Jahre nach der Sklavenbefreiung und vierzig Jahre nach dem Durchbruch der Bürgerrechtsbewegung haben die Vereinigten Staaten ihre Obsession mit der Verschiedenheit und Unvereinbarkeit der Rassen abgelegt, sie entwickeln sich zu einer halbwegs farbenblinden Nation.
Er hat sich allen Stereotypen entzogen
Dazu hat der Kandidat Barack Obama erheblich beigetragen – indem er selbst nicht dem Stereotyp gehorchte, das weiße Wähler über schwarze Politiker pflegen. Indem der Senator aus Illinois also selbstverständlich schwarz war, dies aber nicht zum Thema machte und sich nicht als Sprecher der Afro-Amerikaner, sondern aller Amerikaner präsentierte. Und sich von seinem schwarzen Pfarrer und Förderer lossagte, der die Nation mit einem schwarzem Gegen-Rassismus traktierte.
Natürlich gibt es weiterhin Rassismus in den USA – bei allen ethnischen Gruppen. Und die Schwarzen sind bei den gängigen Sozialindikatoren – Einkommen, Bildungschancen, Gesundheit - im Durchschnitt schlechter dran – wie jetzt wieder bei der Häuserkrise, wo sie die meisten faulen Kredite haben und am ehesten auf der Straße sitzen. Ob sich die in den letzten Jahrzehnten gewachsene schwarze Mittelschicht halten kann, ist also sehr die Frage. Dafür halten sich im republikanischen Hinterland zähe Vorurteile, und am rechtsradikalen Rand ist ein Hass auf Schwarze virulent, der jederzeit zu einer grauenvollen Lynchaktion ausarten kann oder sogar zu dem Attentat auf Obama.
Amerika hat sich vom Dualismus entfernt
Gastautor Leggewie
Prof. Dr. Claus Leggewie ist seit August 2007 Direktor des Kulturwissenschaftlichen Instituts Essen.
Der gebürtige Wanne-Eickeler ist seit 1986 Professor für Politikwissenschaft in Göttingen, seit 1989 an der Justus-Liebig-Universität Gießen (beurlaubt), außerdem ist er Gründungsdirektor des Zentrums für Medien und Interaktivität (ZMI). Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der kulturellen und religiösen Globalisierung, Migration, Demokratie und Demokratisierung insbesondere in nichtwestlichen Gesellschaften, Europäische Erinnerungskulturen, Wissenschaftskommunikation in digitalen Medien, KlimaKultur.
Alles in allem hat sich Amerika aber vom schwarz-weißen Dualismus entfernt, auch durch die Masseneinwanderung von Hispanics und Asiaten seit den 1960er Jahren. Damit haben sich die USA neu erfunden, vor die Engstirnigkeit des America First!-Denkens, das immer wieder aufflammt, schob sich der Universalismus der amerikanischen Mission. Der wurde von dem weitgereisten und weltoffenen Internationalisten Barack Obama weniger hervorgebracht als umgekehrt: New America hat den ersten schwarzen Präsidenten geformt. Er war „brother“ genug, um das Gros der schwarzen Wähler zu mobilisieren, aber auch „cool“ genug, um den kosmopolitischen Melting pot zu verkörpern. Und so darf man am Ende sogar vermuten, dass ein ambitionierter Harvard-Jurist und Senator aus Illinois, der eine mitreißende Parteitagsrede gehalten hat, aber ein Weißer ist, den Durchbruch an die Spitze der amerikanischen Administration kaum geschafft hätte.
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