Essen. Darwins Gegner geben nicht auf – rund 150 Jahre nach Aufstellung der Evolutionstheorie stellen sie Darwins Lehren in Frage. Der Politologe Prof. Claus Leggewie hat den Konflikt der "religiösen Rechten" mit der Wissenschaft analysiert.

Glaube und Wissenschaft – das ging nie ohne Spannungen. Wissenschaft ist stets vorläufig, ein Prozess der Zertrümmerung von Gewissheiten und mühsamer Erkenntnis. Glaube dagegen ist ewig, sinnstiftend, behauptend. Wo seit 150 Jahren Glaube und Wissenschaft mit fast unverminderter Wucht aufeinander prallen, ist Darwins Evolutionstheorie. Seine Erkenntnis, dass sich alles Leben aus einem Ursprung entwickelte, dass mithin Mensch und Affe gemeinsame Vorfahren haben, ist bis heute Gegenstand eines erbitterten Streits.

(R)evolutionäre Gedanken

Aus Anlass des Darwin-Jahres 2009 veranstaltet der Dortmunder Biologe Prof. Dittmar Graf die Vorlesungsreihe „Darwins (r)evolutionäre Gedanken” (www.biologieundgesellschaft.de). Den ersten Vortrag im Sommersemester zum Thema „Die religiöse Rechte und die Wissenschaft” hielt der Essener Kulturwissenschaftler und Politologe Prof. Claus Leggewie.

Unter der Flagge des Kreationismus segeln – vor allem in den USA und in Europa – christliche Fundamentalisten, die gegen die Evolutionstheorie und zugleich gegen Aufklärung, Rationalismus und eine als unmoralisch gewertete Moderne kämpfen. Kreationisten verstehen die Bibel wörtlich: Die Welt, der Mensch und alle Lebewesen wurden vor einigen tausend Jahren von Gott geschaffen – und zwar so, wie sie heute sind. Eine Evolution hat demnach nicht stattgefunden. Leggewie: „Und diese Behauptungen halten sie gegen jede wissenschaftliche Evidenz aufrecht.”

Bedrohung für die Freiheit der Wissenschaft

Dass Kreationisten nicht nur religiöse Sektierer sind, sondern eine ernste Bedrohung für die Freiheit der Wissenschaft darstellen, macht Leggewie klar: „Kreationisten wollen Religion einen innergesellschaftlichen Platz zurückerobern”, was letztlich auf eine Bedrohung der Demokratie hinauslaufe. Und sie finden fruchtbaren Boden: Ein Drittel der Deutschen glaube, dass die Entstehung des Menschen Gottes Werk sei, führt Leggewie aus. In den USA glaubten über 80 Prozent an einen Schöpfergott. „Solche Ansichten nahmen mit Darwin nicht ab”, so Leggewie, „sondern sie wuchsen. Der Kreationismus ist eine Reaktion auf Wissenschaft und Moderne.”

Ziel der christlichen Fundamentalisten ist die Verankerung der Schöpfungsgeschichte, wissenschaftlich als „Intelligent Design” (ID) verbrämt, im Biologie-Unterricht. ID will sagen: Die Wissenschaft kann nicht alles lückenlos erklären, nicht die Komplexität einer menschlichen Zelle, nicht Dunkle Materie – und nicht die Existenz des Menschen. Folglich muss es eine „Intelligenz” geben, die das alles „designed”, also geformt hat.

Mit Hilfe des „Intelligent Design” soll Glaube auf Augenhöhe wissenschaftlicher Theorien gebracht werden, um die Thesen so in den naturwissenschaftlichen Unterricht zu hieven – womit der Unterschied zwischen Wissen und Glaube institutionell verwischt wäre. Auch in Deutschland gab es diese Versuche. Die hessische Bildungsministerin Karin Wolff forderte 2006, die biblische Schöpfungsgeschichte sei im Biologie-Unterricht zu behandeln.

Gott als Lückenbüßer?

Es ist immer die gleiche Guerillataktik der Kreationisten: Sie suchen Lücken und ungeklärte wissenschaftliche Fragen, um die gesamte Evolutionstheorie zu kippen. In diesen Leerstellen werde Gott sichtbar – der aber dadurch, sagt Leggewie, zum „Gott der Lücken” herabgewürdigt werde. Zum Schluss fragt Leggewie: „Was wäre eine Religion, die nicht bloß Lücken füllen soll?” Es wäre, so antwortet er selbst, „eine Befreiung für die Religion”, da sie nicht länger fundamentalistisch und aggressiv auf die moderne Gesellschaft reagieren müsste.

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