Essen. Ab Freitag ist die Ausstellung „Flagge zeigen? – Die Deutschen und ihre Nationalsymbole” im Bonner Haus der Geschichte geöffnet. Aus diesem Anlass ein Gespräch mit dem Präsidenten des Kulturwissenschaftlichen Instituts Essen, Prof. Claus Leggewie, über die Deutschen und Patriotismus.

Amerikaner haben ihren Unabhängigkeitstag, Franzosen den Nationalfeiertag und bei uns forderte Kanzler Schröder, den Tag der Einheit als Feiertag abzuschaffen, um das Wachtstum anzukurbeln. Haben wir ein Problem mit dem nationalen Gedenken?

Leggewie: Wenn Schröder recht hätte, haben wir offenbar eine Krämerseele. Deutschland hat sich 1949 und 1989 als D-Mark-Nation wiederbegründet, weil es zwei Diktaturen zu bewältigen hatte, von denen wenig bis nichts erinnerns- und denkenswert war.

Nach zwei Diktaturen

Wegen der dunklen Vergangenheit tun sich Deutsche oft schwer mit nationaler Symbolik. Hat das noch Berechtigung oder ist es eine überholte Last auf der „Berliner Republik" und auf nachgeborenen Generationen?

Die Ausstellung

Der Leiter des Bonner Hauses der Geschichte, Hans Walter Hütter, meint: „Diese Ausstellung wäre vor 20 Jahren noch nicht möglich gewesen.” Da wäre die Auseinandersetzung mit deutschen Nationalsymbolen als Akt „ewig Gestriger” gesehen worden. Seither ist manches entkrampft.

Und so präsentiert Hütters Haus ab Freitag die Ausstellung „Flagge zeigen? – Die Deutschen und ihre Nationalsymbole". Sie beleuchtet das Verhältnis der Deutschen zu ihrer Nation und deren Symbolen wie Flagge und Adler. Mit 600 Exponaten geht die Ausstellung der Frage nach, wie und warum sich das Verhältnis der Deutschen zu ihren Nationalsymbolen im Laufe der Zeit gewandelt hat.

Es beginnt mit der Entstehung nationaler Symbole im 19. Jahrhundert und zeigt ihre veränderte Bedeutung in Kaiserreich, Weimarer Republik, Nationalsozialismus und in der geteilten Nation. Ergänzt wird dies durch Zeitzeugenberichten und Filmausschnitten. Zu sehen bis zum 13. April '09. Internet: www.hdg.de

Leggewie: Das ist höchstens eine gefühlte Last, die Phase angestrengter Vergangenheitsbewältigung ist längst vorbei. Man hat sogar Vorteile, wenn man die Leichen aus dem Keller hat; andere Gesellschaften wie die russische haben das noch vor sich. Ein abgeklärtes Verhältnis zur eigenen Nation hat, wer diese weder überbetont noch abwertet.

Sind die Deutschen gute Patrioten; sind sie überhaupt Patrioten?

Leggewie: Gute Patrioten sind Menschen, die gerne in ihrem Land wohnen, aber auf andere Völker nicht herabblicken. Davon gibt es in Deutschland mittlerweile erfreulich viele.

Schwarz-rot-goldene Euphorie

Bei der Fußball-WM 2006 wogte ein schwarz-rot-goldenes Meer in Stadien und Städten. War das nur der farbenfrohe Ausdruck eines „Events" oder eines neuen Nationalbewusstseins?

Leggewie: Vielleicht eines entspannteren Nationalbewussteins, weil sich niemand mehr groß fragen musste, ob das erlaubt ist. Aber manche Deutsche waren wieder so gründlich, dass sie noch wochenlang nach WM und EM mit dem schicken Wimpel rumgefahren sind.

Kann man sein „Vaterland lieben"? Bundespräsident Gustav Heinemann sagte einst „Ich liebe nicht den Staat, ich liebe meine Frau"...

Leggewie: Heinemann hatte recht: Liebe ist das nicht, wenn man Steuern und Abgaben innerhalb einer nationalen Solidargemeinschaft zahlt und Leute mitnimmt, die schwächer sind als man selbst. Aber dazu tritt immer die Fernstenliebe, weil diese Solidarität auch Leuten gebührt, die weit entfernt wohnen.

Manche meinen, national „Flagge zeigen" sei in der Gegenwart der Globalisierung der Schnee von vorgestern. . .

Leggewie: Mir hat mal ein Vorstandsvorsitzender einen Mangel an Patriotismus vorgeworfen, und als ich ihn fragte, worin seine Vaterlandsliebe konkret bestünde, konnte er mir nur seinen lokalen Fußballverein nennen - in dem zum größten Teil Ausländer spielen. Der Mann hat am nächsten Tag Teile seines Betriebs verlagert, ohne mit der Wimper zu zucken. Karl Marx hat recht gehabt, als er vom vaterlandslosen Kapital gesprochen hat, der Weltmarkt hat die Nation zu einer romantischen Idee gemacht.

Was bedeutet Schwarz-Rot-Gold für Sie persönlich?

Leggewie: Nicht besonders viel, aber auch nicht nichts. Ich halte es wie die meisten Deutschen heute und bin außerdem Ruhri, 1. FC Köln-Fan, Europäer und Weltbürger, ohne dass sich das in die Quere kommen muss.