US-Präsident rettet den Gipfel und setzt den Wunschkandidaten für die Nato-Spitze mit diplomatischem Geschick durch. Angela Merkel bleibt eine Blamage erspart.

Monatelang haben die Protokollchefs von Élysée und Kanzleramt am perfekten Drehbuch für den Nato-Jubiläumsgipfel gefeilt. Eine Familienfeier, die viel Harmonie, und Symbolik, vor allem aber schöne Bilder um die Welt schicken soll.

Doch im Streit um Anders Fogh Rasmussens Kandidatur zum Nato-Generalsekretär droht sich die Geburtstagsfete in einen peinlichen Pleiten-Gipfel zu verwandeln. Da schlägt die Stunde des US-Päsidenten. Es ist Obama, der mit viel diplomatischem Geschick den Weg frei macht für den dänischen Premier.

Eigentlich pflegt die Allianz bei der Suche nach ihrem Führungspersonal mit großer Diskretion vorzugehen. Doch bei der Nachfolge des Niederländers Jaap de Hoop Scheffer, der im Juli aufhört, ist alles anders. Die Causa Rasmussen entwickelt sich zu einem grotesken Krimi mit viel Public Viewing.

Es ist Samstagfrüh, die Staats- und Regierungschefs versammeln sich bei herrlichem Frühlingswetter am Rhein, um symbolträchtig über die „Passerelle des deux Rives” zu schreiten, die Fußgängerbrücke, die für die Aussöhnung der einstigen Erzfeinde Deutschland und Frankreich steht. Obwohl die Fernsehkameras laufen, schert sich ausgerechnet einer der Regierungschefs nicht ums Protokoll.

Es ist Silvio Berlusconi, der italienische Premier. Nur kurz winkt er der angesäuerten Kanzlerin zu, um dann, fast 20 Minuten lang telefonierend auf und ab zu schreiten. Am anderen Ende in Ankara: sein Freund, der türkische Premier Tayyip Erdogan. Einziges Gesprächsthema: Der Ärger um Rasmussen.

Eine delikate Personalie, die eigentlich gar nicht auf der Tagesordnung stehen soll. Denn weil Ankara – als einziges der 28 Nato-Länder – im Vorfeld massive Vorbehalte gegen den dänischen Premier geäußert hat, spricht viel dafür, die Entscheidung zu vertagen. Doch dann ist es ausgerechnet die sonst so beherrschte Angela Merkel, die sich beim Gipfelauftakt am Freitag riskant weit aus dem Fenster lehnt und große Versprechungen macht: dass nämlich Anders Fogh Rasmussen noch am selben Abend zum neuen Nato-Generalsekretär gekürt werde.

Doch daraus soll nichts werden, denn selbst der moderate türkische Präsident Abdullah Gül lässt sich auch bei Saiblingsfilet und Stangenspargel partout nicht erweichen. Ankara bleibt bei seinem Veto. Rasmussens Rolle im Streit um die Mohammed-Karikaturen und der kurdische Sender „Roj-TV” in Kopenhagen sind Gül und Erdogan ein Dorn im Auge.

Es sieht also düster aus am Samstagmorgen. Die letzte Rettung heißt nun Barack Obama. Der US-Präsident nimmt Gül ins Gebet, eine halbe Stunde lang, dann kommt Rasmussen dazu. Der enge Gipfel-Zeitplan gerät völlig aus den Fugen, am Ende um fast drei Stunden. Aber dem US-Präsident gelingt die unerwartete diplomatische Meisterleistung. Nach einem weiteren Telefonat mit Erdogan ist der Weg endlich frei: für den ersten Dänen an der Spitze der Nato.

Später wird durchsickern, dass offenbar gefeilscht wurde wie auf einem anatolischen Basar. Als Zugeständnis soll die Türkei den Posten eines stellvertretenden Nato-Generalsekretärs sowie einen Nato-Abrüstungsbeauftragten erhalten. Ferner soll der in Kopenhagen beheimatete kurdische Fernsehsender „Roj TV”, den Ankara schließen will, kritisch unter die Lupe genommen werden.

Kaum ernannt und von Nicolas Sarkozy mit väterlichem Schulterklopfen bedacht, schaut Anders Fogh Rasmussen bereits nach vorn: „Ich werde alles tun, was ich kann, um dem Vertrauen gerecht zu werden, das meine Kollegen mir gezeigt haben.”

Da strahlt auch Angela Merkel, knapp an der großen Blamage vorbeigeschrammt, wieder Zufriedenheit aus: „Ich fahre sehr zufrieden nach Hause.”