Mehr und mehr Bürger sind pleite. Experten rechnen im Herbst mit 110 000 Privatinsolvenzen
Berlin. Der 55-jährige Familienvater steckt in der Klemme. Schon die hohen Zins- und Tilgungszahlungen für sein Haus überfordern das Budget der vierköpfigen Familie. Und nun hat der Arbeitgeber, ein mittelständischer Maschinenbaubetrieb, die Kündigung ausgesprochen. 30 Jahre Arbeit haben nichts genützt – die Familie ist überschuldet.
Über private Katastrophen wie diese berichten zurzeit vermehrt die Schuldnerberatungen in ganz Deutschland. Durch die Wirtschaftskrise nehmen die Privatinsolvenzen zu. „Wir registrieren 80 Prozent mehr Anfragen”, sagt Frank Drynda vom Verein Schuldnerberater-Nordrhein-Westfalen. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes in Düsseldorf stieg die Zahl privater Insolvenzanträge von Januar bis März um 7,1 Prozent auf 5900 Fälle.
Und das ist wahrscheinlich erst der Anfang. „Die großen Probleme kommen noch”, so Drynda. Für den Herbst und Winter diesen Jahres rechnen die Berater mit viel mehr Hilferufen verschuldeter Bürger. 110 000 neue Anträge auf Privatinsolvenz oder mehr werden bundesweit erwartet. 2008 dagegen war die Verschuldung erstmals seit längerer Zeit zurückgegangen. Durch die gute Wirtschaftsentwicklung und die sinkende Arbeitslosigkeit hatte sich die Lage etwas entspannt.
Nun aber sollten sich Banker und Politiker auf vermehrte Probleme einstellen, rieten am Freitag die Verbraucherzentralen, die Caritas, der Paritätische Gesamtverband und andere Wohlfahrtsorganisationen. Gemeinsam präsentierten sie den Schuldenreport 2009.
„Es gibt immer Auswege”
Von der Politik forderten die Verbände mehr Geld, um zusätzliche Schuldnerberater einstellen zu können. Die Anzahl der Beratungsstellen reiche heute nicht aus, um die Anfragen zügig zu bearbeiten.
So dauert es bei der Schuldnerberatung des Arbeitskreises Neue Armut in Berlin etwa ein Jahr, bis die betroffenen Bürger Hilfe beim Insolvenzantrag erhalten. Trotz dieser Warteliste allerdings würden akute Probleme wie etwa Pfändungen innerhalb von 24 Stunden bearbeitet, sagt Schuldnerberater Frank Wiedenhaupt – und fügt hinzu: „Niemand sollte verzweifeln, es gibt immer einen Ausweg.”