Essen. Liebe zwischen Täter und Opfer: "12 heißt: Ich liebe dich" (20.15 Uhr, ARD) ist ein aufregendes Stück Diskussionsfernsehen mit zwei überragenden Schauspielern. Opferverbände protestieren im Voraus
Die Geschichte klingt, als ob mit einem Drehbuchautor die Phantasie durchgegangen wäre: Während einer achtmonatigen Untersuchungshaft im Stasi-Knast verlieben sich eine junge Frau, die wegen verbotener Westkontakte verhaftet wurde, und der ihr zugeteilte Stasi-Offizier ineinander. Liebe auf den ersten Blick zwischen Täter und Opfer? Das kann es geben. Der Film von Connie Walther entstand jedenfalls nach einer wahren Begebenheit. Die Staatsfeindin Regina Kaiser verliebt sich 1981 in Uwe Karlstedt, den Mann, der sie fast täglich verhört. 16 Jahre später spürt die Frau ihren "Vernehmer" wieder auf. Sie heiraten und leben heute in der Nähe von Berlin. In ihrem Buch "12 heißt: Ich liebe dich" (20.15 Uhr, ARD) protokollieren sie nicht nur ihre Liebe, sondern arbeiten auch mutig ihre Vergangenheit als Opfer und Täter auf.
Der MDR, bekannt für Rührstücke, ist das Wagnis eingegangen und hat die Geschichte verfilmt. Nicht als Liebes-Schmonzette, sondern als ein aufregendes Stück Diskussionsfernsehen - das darüber hinaus noch herausragend gemacht ist. Dass der Film von Seiten der Opfer-Verbände auf Kritik stieß, weil er die Tätigkeit der Stasi verharmlose, muss akzeptiert werden und ist menschlich nachvollziehbar. Der Protest basiert aber allein auf der Kenntnis der Handlung. "Alle reden über einen Film, den sie noch nicht gesehen haben", wundert sich die Regisseurin. Bereits vor einem Jahr, als Connie Walther noch im Schnitt saß, kritisierte der Leiter der Berliner Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen den Film: Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, die Untersuchungshaft sei eine Art "Ehe-Anbahnungsinstitut" gewesen.
Die Bedenkenträger sollten sich den Film genau anschauen. Geschönt wird hier nichts. Der Aufenthalt im Stasi-Knast ist keine Romanze und wird auch nicht so dargestellt. "Gesicht zur Wand! Na, wird's bald! Setzen! Hände auf die Decke!" Das ist seelische Folter. Die lässt sich im Gesicht von Claudia Michelsen ablesen; die aufkommende Sympathie für den ungemein freundlichen, da verliebten Vernehmungs-Offizier bleibt nur eine Ahnung. Walther: "Die wachsende Zuneigung füreinander erlauben sie sich nur kodiert - mit kleinen Gesten, Zeichen, Zahlen." Erst ganz am Ende: ein Kuss, eine Umarmung.
Geschickt verschachtelt das Drehbuch von Scarlett Kleint die Vernehmungen mit der Realität zwölf Jahre später: Die weibliche Heldin führt Besucher durch das Stasigefängnis, in dem sie drei Jahre einsaß. Aber sie will mehr wissen, will wissen, was die Täter gedacht haben. Das war auch der Antrieb von Regina Kaiser damals. "Rache war und ist für mich bei allem erlebten Unrecht kein Lebensprinzip", sagt sie. "Ich empfinde meinem Mann gegenüber heute tiefen Respekt, weil er sich den schmerzlichen Fragen nach seiner Verantwortung und seiner Mitwirkung im Repressionssystem der DDR stellt wie kaum ein anderer seiner ,Kollegen'." Für Kleint ist der Film "ein Gleichnis für menschliche Größe".
"12 heißt: Ich liebe dich" macht in Sachen DDR-Aufarbeitung weiter, wo das Grimme-Preis-gekrönte NVA-Drama "An die Grenze" aufgehört hat. Die DDR einmal nicht als Schwarzweiß-Gemälde. Es ist keine bequeme Wahrheit, nach der dieser Film sucht. "Simple Täter- und Opferklassifizierungen reichen nicht aus; es gibt immer nur die spezifische Situation, die individuelle Geschichte", betont Claudia Michelsen. Sie und ihr Partner Devid Striesow ("der Mann wusste es nicht besser, der hat einfach funktioniert") machen das politisch brisante Kammerspiel auch künstlerisch zum TV-Ereignis.