Arnheim. Mit der Übernahme des niederländischen Energieriesen Essent gewinnt der Essener Konzern auf einen Schlag 5,3 Millionen neue Kunden. Betriebsrat und Kartellbehörden müssen noch zustimmen.
RWE-Chef Jürgen Großmann erzählte in den vergangenen Monaten gerne, dass der Essener Energieversorger in der Krise sein Pulver trocken gehalten habe, die Finanzen seien solide. Kritiker hielten dagegen, bei ganz dicken Übernahmen komme der Zwei-Meter-Hüne einfach nicht zum Zuge.
Umso lobendere Worte fand Großmann gestern, als er im niederländischen Arnheim das erste ganz dicke Geschäft unter seiner Ägide verkünden konnte. Für 9,3 Milliarden Euro will RWE den niederländischen Energieversorger Essent kaufen, abgesehen von dessen Netz- und Entsorgungsgeschäft. „Das ist ein großartiger Tag für RWE”, sagte Großmann angesichts des verbindlichen Angebots, das am Ende eines monatelangen Bieterwettstreits um Essent steht. Auch Vattenfall hatte Interesse.
Die siebte Tochter im RWE-Konzern
Sobald die nach niederländischem Recht erforderliche Stellungnahme des Essent-Gesamtbetriebsrats eingegangen ist, werden die Konzerne die entsprechende Angebotsvereinbarung unterzeichnen. Sofern die Kartellbehörden zustimmen, soll das Geschäft im dritten Quartal abgeschlossen sein. Es wäre eine der größten Übernahmen in der RWE-Geschichte und Essent würde damit die 7. Tochter im Konzern.
Die Übernahme mache RWE zum führenden Versorger in Nordwesteuropa, sagte Großmann. Zudem habe RWE die „historische Gelegenheit”, eine führende Position auf dem lukrativen niederländischen Energiemarkt einzunehmen.
„Wir verbessern damit auch unsere CO2-Position”, sagte Großmann weiter. Aufgrund seiner zahlreicher Kohlekraftwerke hat RWE derzeit unter allen europäischen Energieerzeugern eine der schlechtesten CO2-Bilanzen. Die CO2-Belastung je produzierter Kilowattstunde liegt bei Essent etwa 40 Prozent unter der von RWE.
32 Milliarden Euro starkes Investitionsprogramm
Der Kauf von Essent ist Teil des bislang größten Investitionsprogramms der Konzerngeschichte über 32 Milliarden Euro, das RWE bis 2012 aufgelegt hat. Bereits kurz vor Weihnachten hatte der Energieriese den Bau der größten Hochsee-Windanlage vor der deutschen Küste bekannt gegeben. Kostenpunkt: 2,8 Milliarden Euro.
Zur Finanzierung des aktuellen Geschäfts will RWE bei zehn Banken Kredite über neun Milliarden Euro aufnehmen. Der Rest wird über Barguthaben finanziert. Dafür soll der Zusammenschluss ab 2014 Synergien liefern, die RWE auf eine dreistellige Millionensumme schätzt.
5,3 Millionen neue Kunden
Mit Essent würde RWE einer der führenden Energieanbieter in den Beneluxstaaten werden und auf einen Schlag 5,3 Millionen neue Kunden hinzubekommen – 1,1 Millionen davon in Deutschland und 250 000 in Belgien. Bei einem Abschluss der Transaktion würde RWE insgesamt 22,5 Millionen Strom- und etwa 12,5 Millionen Gaskunden in Europa beliefern.
Essent ist mit 7800 Mitarbeitern einer der größten Energieversorger in den Niederlanden und machte ohne das Netz- und Entsorgungsgeschäft nach vorläufigen Berechnungen 2008 einen Umsatz von 6,55 Milliarden Euro. Die Hauptanteilseigner des Konzerns sind die niederländischen Provinzen und Kommunen.
Noch ist das Geschäft nicht vollends unter Dach und Fach. Sollte sich Essent wider Erwarten einem anderen Käufer zuwenden, erhielte RWE eine „erhebliche” Entschädigung.