Die Gesundheitsreform setzt offenbar Anreize für Korruption. Ärzte würden zu schmieren versucht, damit sie ihre Patienten so krank wie möglich schreiben, behauptet die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV).
Essen. Je mehr schwer und chronisch Kranke eine Kasse hat, desto mehr Geld erhält sie aus dem neuen Gesundheitsfonds. Umgekehrt wird Ärzten vorgeworfen, die Kassen zu erpressen.
So erhalten die bayerischen Hausärzte für entsprechende „Gegenleistungen” Extrahonorare von der AOK, wie das ARD-Magazin Panorama berichtet. „Für das Entgegenkommen der AOK” sollen die Ärzte „eine entsprechende Codierung bei AOK-Patienten vornehmen”, bittet ihr Verbandschef Wolfgang Hoppenthaller in einem internen Schreiben, das der WAZ vorliegt. Jeder Patient, der zusätzlich als Chroniker „identifiziert” wird, bringt 26 Euro.
Hoppenthaller droht zudem Ersatz- und Betriebskassen damit, deren Versicherte nur noch im Notfall zu behandeln, wenn sie den für die Hausärzte lukrativen Vertrag nicht unterzeichnen. „Eine Schweinerei” nennt das Leonard Hansen, Chef der KV Nordrhein. „So tief sind wir gesunken, in der Schmuddelecke der Berufs- und Verbandspolitik.”
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach fordert Hoppenthaller zum Rücktritt auf. „Er erpresst die Kassen und nimmt die Patienten in Geiselhaft”, sagte er der WAZ.
Doch die lukrativen Chroniker-Befunde lassen laut KBV auch die Kassen aktiv werden. „Kassenvertreter versuchen, Ärzte zu ködern, um Diagnosen zu korrigieren”, so KBV-Chef Andreas Köhler auf Bild online. Viele Ärzte erhielten entsprechende Besuche von Kassenvertretern.
Einen Bestechungsversuch kennt auch die KV Nordrhein. Die von einer niedersächsischen Kasse angeschriebene Ärztin habe aber abgelehnt. Hansen warnt: „Wenn sich die Kassen ein Wettrennen um die besten Codierungen liefern, dann Gutenacht, Deutschland.”