Jeder muss sich einstellen, künftig mehrfach den Arbeitsplatz zu wechseln. Doch die Politik stellt zu wenig Mittel für die Qualifizierung bereit, kritisiert Gerhard Bosch, Professor für Arbeits- und Wirtschaftssoziologie am Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen.

Jeder muss sich künftig darauf einstellen, mehrfach im Leben den Arbeitsplatz zu wechseln. Die Halbwertzeit des erlernten Wissens nimmt ständig ab, und wir müssen lebenslang lernen. Solche Aussagen hört man täglich.

In keinem Bildungsbereich ist aber der Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit größer als in der Weiterbildung. Sonntags wird lebenslanges Lernen gepredigt und in der Woche werden die Etats gekürzt. 1996 gaben wir noch 1,5 Prozent des Bruttosozialprodukts für Weiterbildung aus, 2006 war es nur noch ein Prozent. Der größte Kahlschlag ist in der Arbeitsmarktpolitik zu verzeichnen: Früher wurden jährlich rund 200.000 Arbeitslose zu Fachkräften mit einem Berufsabschluss ausgebildet. Heute nur noch etwa ein Zehntel. Hier sei viel Geld für sinnlose Maßnahmen verbrannt worden, sagen die Befürworter der Kürzungen.

Berufsabschluss verbessert die Aussichten

Ohne Zweifel wurde vor allem nach der Wiedervereinigung manch fragwürdiger Kurs subventioniert. In der Folge wurden leider alle Bildungsmaßnahmen für Arbeitslose unter den Generalverdacht des Missbrauchs öffentlicher Gelder gestellt.

Inzwischen haben renommierte Arbeitsmarktforscher, früher selbst scharfe Kritiker der Weiterbildung, nachgerechnet. Das überraschende Resultat: Vor allem Maßnahmen mit einem Berufsabschluss verbessern die Beschäftigungschancen und senken Arbeitslosigkeit. Mit ihrer Abschaffung habe man einen großen Fehler gemacht. Die Arbeitsagenturen hätten ihre „Neinsage-Kompetenz” zu weit getrieben.

Andere Länder haben die Bedeutung von Weiterbildung für Wachstum und Beschäftigung längst erkannt. So können in Dänemark und Schweden Arbeitslose einen neuen Beruf erlernen. Außerdem erhalten Erwachsene Stipendien, um Schul- und Berufsabschlüsse nachzuholen oder zu studieren. Die Ergebnisse sind überzeugend: Wesentlich mehr Dänen und Schweden als Deutsche arbeiten bis zum Rentenalter.

Erwachsenen-Bafög nach skandinavischem Vorbild

Ohne eine zweite Chance in der Berufsbildung produzieren wir nur noch mehr Arbeitslose. Denn oft wird der alte Beruf nicht mehr nachgefragt oder man kann ihn aus gesundheitlichen Gründen nicht ausüben. Außerdem haben viele Jugendliche keinen Ausbildungsplatz gefunden. Wenn sie als Erwachsene mit Bildungswünschen vor verschlossenen Türen stehen, ist Arbeitslosigkeit programmiert und es fehlen Fachkräfte. Man kann nicht die Rente mit 67 und einen flexiblen Arbeitsmarkt wollen und gleichzeitig Weiterbildung einschränken.

Gute Vorschläge zu einer neuen Qualifizierungsoffensive liegen auf dem Tisch. Nach skandinavischem Beispiel sollte man Erwachsenen-Bafög einführen. In der Arbeitsmarktpolitik sollte man wieder jährlich bis zu 200.000 Arbeitslose umschulen. Es empfiehlt sich, dabei antizyklisch vorzugehen. In der Krise sollte mehr in Weiterbildung investiert werden, damit im Aufschwung die benötigten Fachkräfte zur Verfügung stehen. Dazu müssten die Arbeitsagenturen eine „Jasage-Kompetenz” entwickeln.