Dortmund. Karriere und Familie müssen sich nicht ausschließen. Immer mehr Unternehmen entdecken den Wert gut ausgebildeter Mitarbeiterinnen und ermöglichen den Balance-Akt. Weil es sich lohnt.
Wenn Tanja Göritz (30) über ihr Leben als arbeitende Mutter spricht, dann klingt das nicht wirklich nach Deutschland. Sie sagt dann Sätze wie „meine Schwangerschaft wurde hier im Unternehmen sehr gut angenommen” oder „die haben mir schnell flexible Arbeitszeiten ermöglicht”.
Die 30-Jährige arbeitet seit zehn Jahren als Angestellte bei „SMF”, einem IT-Dienstleister in Dortmund. Vor zwei Jahren bekam sie eine Tochter, nach nur vier Monaten ging sie wieder ins Büro. Ihr Arbeitgeber kam ihr mit flexiblen Teilzeitlösungen entgegen. Und glaubt man den Vorhersagen der Bielefelder Forscherin Ulrike Detmers, Betriebswirtschaftlerin und selbst Unternehmerin, dann werden deutsche Firmen bald noch viel mehr für Frauen ermöglichen müssen. „Der demografische Wandel verknappt die Ressourcen auf dem Arbeitsmarkt, deshalb bewegt sich was für Frauen”, sagt sie.
Dramatischer brachte es der deutsche Microsoft Geschäftsführer Achim Berg in einem Online-Bericht des Spiegel auf den Punkt: „Wenn es uns jetzt nicht gelingt, Frauen zu gewinnen, stehen wir spätestens in fünf Jahren vor massiven Problemen.” Allerdings sind sich viele Experten einig: Wenn sich was für Frauen bewegt, dann zuerst für die gut Ausgebildeten. „Die sind nicht so leicht zu ersetzen”, sagt Wissenschaftlerin Ulrike Detmers.
Es tut sich also was!
Tanja Göritz hat für ihre Tochter einen Platz in einer Kita für Unter-Drei-Jährige gefunden, sie nimmt das neue Angebot dankbar an, vorher hatte eine Tagesmutter auf das Kind aufgepasst. „Wenn irgendwas dazwischen kommt, dann sprech' ich das eben mit meinem Büroteam ab.” Klingt nicht kompliziert. Warum sich Tanja Göritz' Arbeitgeber so flexibel zeigt, hat viele Gründe. Einer davon heißt Angela Feuerstein, selbst Mutter und Mit-Geschäftsführerin der Firma SMF. Sie weiß aus Erfahrung, wie Karriere und Kind funktionieren müssen.
Da ist vor allem der Punkt Flexibilität. Außerdem erklärt Firmen-Sprecher Christian Bonkowski: „Für uns ist es besser, wenn wir das Know-how im Unternehmen lassen. Jemanden ganz neu zu suchen, ist viel aufwändiger.” Und dann fügt Bonkowski noch etwas Überraschendes hinzu: „Unsere Erfahrung zeigt, dass Frauen mit Kind eher verantwortungsvoll handeln und meistens sogar belastbarer sind als Frauen ohne Kind.”
So scheint es jedoch längst nicht jedes deutsche Unternehmen zu sehen: Eike Ostendorf-Servissoglou, Sprecherin des „Verbandes berufstätiger Mütter”, berichtet von einem Gespräch mit einer Geschäftsfrau. Die habe erzählt, dass sie im Büro vorsichtshalber nie ihre Kinder erwähnen würde. Wenn eines krank sei, würde sie sich sogar lieber selber krank melden. Sonst sei man ganz schnell nur noch „die Mutti”. Auch das sei Realität in deutschen Chefetagen, in denen immer noch hauptsächlich Männer das Sagen haben. Doch auch Ostendorf-Servissoglou stellt fest, dass sich die Unternehmenskultur zugunsten der Frauen langsam ändert. Jedoch folgt auch hier der Nachsatz: für besonders gut ausgebildete Frauen.
Das Wichtigste sind flexible Arbeitszeiten
Weil Kinderziehung in Deutschland immer noch zum größten Teil Frauensache ist – nur etwa acht Prozent Väter beantragten laut Bundesfamilienministerium im Jahr 2007 eine Babypause beim Arbeitgeber und entsprechendes Elterngeld – ist für eine berufstätige Mutter besonders die flexible Arbeitszeitgestaltung wichtig. Das haben mehrere Befragungen ergeben. Erst an zweiter Stelle stehe die Frage nach dem Betreuungsangebot. Flexibel, das heißt zum Beispiel: von zu Hause arbeiten, auf kurzfristige Veränderungen reagieren können oder Arbeitszeiten nach den Familienbedürfnissen richten.
„Work-Life-Balance” nennen das große Unternehmen wie Volkswagen oder Mercedes-Benz auf ihren Internetseiten. Sie präsentieren sich dort als Familien umsorgende Unternehmen. Zu diesem Trend gehört auch, berichtet Wissenschaftlerin Ulrike Detmers, dass immer mehr Unternehmen in Kommunen als Anbieter von Kinder-Tagesstätten auftreten würden – „allerdings sprechen wir von Großstädten, nicht von ländlichen Regionen”, sagt sie. Und: „Wir werden eine Skandinavisierung der Arbeitsverhältnisse erleben”, prognostiziert Detmers. In Skandinavien wurde bereits 1986 die Elternzeit eingeführt, dort ist es mittlerweile selbstverständlich, dass Männer zu Hause bleiben und Frauen die Karriereleiter heraufhüpfen.
Dass nämlich Frauen unbedingt in ein Unternehmen gehören, ja, dass sie sogar in den Chefetagen offenbar viel Positives bewirken können, zeigte bereits letztes Jahr eine großangelegte Studie der Unternehmensberatung McKinsey: Gemischte Führungsgremien seien demnach sowohl wirtschaftlich als auch von der Unternehmenskultur her bedeutend erfolgreicher. Die Firmen mit den meisten Frauen im Vorstand erzielten im Vergleich zu solchen ohne Frauen eine bis zu 53 Prozent höhere Eigenkapitalrendite.
Tanja Göritz möchte erst mal nicht weiter auf der Karriere-Leiter nach oben klettern, aber vielleicht irgendwann später ein zweites Kind. Und sie ist sich sicher, dass sie in ihrem Unternehmen auch für diese Lebensveränderung eine flexible Lösung finden wird. Vielleicht bleibt ja auch mal der Partner zuhause.
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