Essen. Deutschlands oberster Datenschützer schlägt Alarm: Immer mehr Unternehmen überprüfen ihre Mitarbeiter ohne deren Wissen.
Nach dem Datenskandal bei der Deutschen Telekom und der Bahn hat nun der Flugzeugbauer Airbus Deutschland eingeräumt, seine Mitarbeiter ohne deren Wissen flächendeckend überprüft und Kontodaten abgeglichen zu haben (WAZ v. 2.4.). Für den Bundesbeauftragten für den Datenschutz, Peter Schaar, sind solche Ausspähaktionen von Firmen keine Einzelfälle. „Nach unserer bisherigen Erfahrung gibt es leider eine zunehmende Tendenz , die Mitarbeiter zu überprüfen”, sagte er der WAZ.
Auf die Frage, ob die bislang bekannten Datenaffären nur die Spitze des Eisbergs seien, meinte der Datenschutzbeauftragte: „Ich würde dieser Aussage nicht widersprechen.” Schaar rechnet damit, dass weitere Überprüfungen von Beschäftigten „stückweise hochkommen”. In erster Linie würden dabei größere Unternehmen das Personal durchleuchten. Dies umfasse auch Bespitzelungen mit Kameras oder durch Detektive, wie vergangenes Jahr bei dem Discounter Lidl bekannt wurde.
Mehr Überwachungen wegen besserer Technik
Ein Grund für die steigende Zahl solcher Überwachungen seien verbesserte technische Möglichkeiten. „Man kann Dateien mit einfachen Mitteln verknüpfen und verwerten”, sagte Schaar. So hatte etwa die Telekom ohne großen Aufwand die E-Mails von Führungskräften überprüft, um Presse-Informanten aufzudecken. Die Bahn hatte Daten der Mitarbeiter abgeglichen, um möglicher Korruption auf die Schliche zu kommen.
Bei Airbus wurden nun im Jahr 2007 die Kontodaten aller 22 000 Beschäftigten auf Anhaltspunkte für illegale Bereicherung überprüft. Dieses Vorgehen ist für Schaar sehr bedenklich. „Einen solchen flächendeckenden Abgleich halte ich nach geltendem Recht für unverhältnismäßig.” So würden auch Mitarbeiter kontrolliert, die zum Beispiel keine Befugnisse hätten, Gelder weiterzuleiten beziehungsweise mit Beschaffungen zu tun hatten.
Etwas anderes sei es, wenn es begründete Verdachtsmomente für kriminelle Handlungen gebe. Dann gelte nach dem Bundesdatenschutzgesetz eine „Abwägung” der Interessen des Unternehmens und der Betroffenen. Schaar: „Das muss man dann immer auf den konkreten Fall herunter brechen.”
Mitarbeiter müssten informiert werden
Bei einer Überprüfung müssten die Mitarbeiter anschließend auch zügig darüber von dem Unternehmen informiert werden – was bei den jüngsten Datenaffären nicht der Fall war. Für Beschäftigte sei es auch nur sehr schwer, einer solchen Bespitzelung auf die Spur zu kommen.
Daneben plädiert Schaar dafür, dass vor einer Überprüfung von Mitarbeiterdaten der Betriebsrat und der Datenschutzbeauftragte des Unternehmens in Kenntnis gesetzt würden. Sollte eine Bespitzelung dann unzulässig gewesen sein, empfiehlt Schaar, sich bei den zuständigen Aufsichtsbehörden zu beschweren. „Das kann bis zu einer datenrechtlichen Überprüfung des Unternehmens führen.”
"Korruptionsprävention nicht verstanden"
Für Jochen Bäumel, Vorstandsmitglied der Antikorruptionsorganisation „Transparency International Deutschland”, sind solche flächendeckenden Überprüfungen sogar ein Ausdruck des Versagens in der Firmenkultur. „Wenn ein Unternehmen so etwas macht, zeigt es, dass es die Korruptionsprävention nicht verstanden hat.” So werde auch ein Großteil der Mitarbeiter oder gar die gesamte Belegschaft unter Generalverdacht gestellt. Bäumel: „Das entspricht nicht einem gesunden Unternehmensgeist.”
Lediglich in einzelnen, besonders von Korruption gefährdeten Bereichen sei eine Kontrolle vertretbar. „Hier muss man den Mitarbeitern aber schon vor Antritt ihrer Stelle sagen, dass es zu solchen Überprüfungen kommen kann”, so Bäumel.
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