Wolfsburg/Essen. Am Samstag öffnet in Wolfsburg eine Schule, die der Volkswagen-Konzern der Stadt geschenkt hat. Die öffentliche gebührenfreie Ganztags-Gesamtschule soll mit handverlesenem Personal den Kindern eine Rundum-sorglos-Betreuung bieten. Bildungsforscher loben das Engagement.

Erstmals macht ein großes DAX-Unternehmen in einer Kommune Schule. Wie viel Geld das kostet, bleibt VWs Geheimnis. Die Neue Schule Wolfsburg soll aber eine für alle sein: für sämtliche soziale Schichten, für Kinder mit und ohne Migrationshintergrund, für Überflieger und „Normalos”. Nur die Schwächen unseres Schulsystems bleiben außen vor: Die Klassen sind klein, langweiliger Frontalunterricht ist verpönt.

„Unsere Klassen sind ein Abbild der internationalen Arbeitnehmerschaft bei VW”, erklärt Konzernsprecher Hans-Rüdiger Dehning. Multikulti sei normal und ausdrücklich erwünscht. Naturwissenschaften und Technik würden groß geschrieben, Praktika auch.

„Wir ermitteln vor allem die Stärken”

Christian Fischer, Erziehungswissenschaftler an der Pädagogischen Hochschule der Zentralschweiz, begleitet das Projekt und betont dessen Vorbildcharakter: „Oft wird in Schulen darauf geachtet, welche Schwächen Schüler haben. Wir machen noch etwas anderes: Wir ermitteln vor allem die Stärken. Alle Kinder werden zunächst gezielt beobachtet und getestet und dann gefördert”, sagt Fischer.

Zwei Mal mehr Anträge als Unterrichtsplätze hätten die Schule erreicht, so Fischer. Bei der Auswahl sei es gerecht zugegangen. So wurden bespielsweise Kinder mit Migrationshintergrund „gemäß ihrem Anteil in der Bevölkerung” berücksichtigt. Am Ende entschied das Los. Auch potenzielle Lehrkräfte standen Schlange. Fischer: „Es gab stapelweise Bewerbungen, doch nur zwölf Pädagogen wurden zunächst eingestellt.”

Das Wolfsburger Experiment wird auch in NRW aufmerksam beobachtet. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) wundert es nicht, dass das Interesse an dieser Schule so groß ist. „Das zeigt, dass es viele Lehrer gibt, die Spaß an innovativer Arbeit haben”, sagt Andreas Meyer-Lauber, GEW-Landesvorsitzender. Für den Gewerkschafter ist das, was VW macht, eine „schöne Einzelaktion”. Mehr aber nicht. „Es ist gut, wenn die Industrie sich so engagiert und eine zukunftstaugliche Schule gründet. Allerdings steht jedem Kind eine gute Bildung zu. Wir haben in NRW 6800 Schulen. Wir haben allerdings nicht 6800 Unternehmen, die eine Schule fördern”, meint Meyer-Lauber im WAZ-Gespräch. „Es wäre auch schlecht, wenn wir irgendwann Städte wie Köln oder Düsseldorf wegen der Nähe zu großen Unternehmen bessere Schulen hätten als ländliche Regionen.” Im Übrigen gebe es heute schon an Rhein und Ruhr bemerkenswerte Projekte in staatlichen Schulen.

"VW zeigt Verantwortung"

„Grundsätzlich gut” findet der Essener Bildungsforscher Rolf Dobischat die Neue Schule Wolfsburg. „Üblicherweise werden heute doch eher Elite-Schulen gegründet für eine kleine Klientel. VW macht es offenbar anders und zeigt Verantwortung. Außerdem kann VW so besser seinen Fachkräfte-Nachwuchs rekrutieren.” Dobischat, der auch Präsident des Deutschen Studentenwerks ist, ist dennoch zuückhaltend: „Wir müssen abwarten, ob diese Schule ihre hohen Ansprüche erfüllt.”

Lob gib's aus dem NRW-Schulministerium: „Schön, dass ich ein Unternehmen so engagiert. Wir müssen uns angesichts sinkender Schülerzahlen aber fragen, ob es besser ist, neue Schulen zu gründen oder in bestehende zu investieren”, so ein Sprecher.