Essen/Ascheberg. Schulministerium und Philologenverband sind skeptisch. Doch viele kleine Gemeinden im Land und Eltern vor Ort wollen die Gemeinschaftsschule. Denn eine Schule kann ein Standortfaktor sein. Viele Pädagogen halten zudem längeres gemeinsames Lernen für sinnvoll.
Dienstagabend hat der Rat der Gemeinde Ascheberg im Münsterland (CDU: 48,9 Prozent) einstimmig beschlossen, beim NRW-Schulministerium eine Profilschule mit Gemeinschaftsunterricht zu beantragen. Auch das Votum der Eltern der Dritt- und Viertklässler war eindeutig. 31,3 Prozent sagten bedingungslos ja, 44,5 Prozent eher ja, sechs Prozent nein.
Schulen als Standortfaktor
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Über Schulstrukturen nachgedacht hat man in der 15 000-Seelen-Gemeinde, weil die Schülerzahlen zurückgehen, aber der Trend zum Gymnasium wächst. Die Hauptschule vor Ort ist in der 5. Klasse ein-, die Realschule zweizügig. Ascheberg will keinen Affront gegen die Landesregierung. Nicht zufällig heißt das Modell „Profilschule” statt Gemeinschaftsschule. Konsens ist das Ziel.
Jetzt werden Nachbargemeinden befragt, bevor der Antrag ans Land geht. „Wir gehören zum Speckgürtel von Münster. Schulen sind ein starker Standortfaktor. Unternehmen und Familien ziehen nur hierher, wenn es weiterführende Schulen vor Ort gibt”, erklärt Hauptamtleiter Alexander Ruhe.
Ministerium liebt die Modellschule nicht
Eine für alle
Die Stadtverwaltung Ascheberg entwickelte mit externen Experten das Modell einer Profilschule, in der Kinder in Klasse fünf bis acht gemeinsam lernen. Differenziert werden soll bei dem Modell in den ersten vier Jahren nur nach Neigung, entsprechend werden Schwerpunkte gewählt: Naturwissenschaften (MINT), Musik oder Sprachen. Ab der neunten Klasse gibt es in den Hauptfächern und in Projektstunden Differenzierung, je nachdem, ob die Zielsetzung berufsorientiert oder gymnasial ist. Angestrebt wird ein Übergang zum Gymnasium von 60 Prozent der Schüler. Am Ende der Klasse 10 können alle Schulabschlüsse gemacht werden.
36 Wochenstunden im Ganztagsbetrieb sind geplant. Lehrkräfte sollen unterstützt werden von Sozialpädagogen, individuelles Fördern, selbstständiges Lernen und Projektarbeit gehören zum Konzept. Erhoffter Start: 2010.
Ein ähnlicher Antrag der Gemeinde Horstmar 2007 auf Einrichtung einer Gemeinschaftsschule - unsere Zeitung berichtete - wurde vom Schulministerium nicht formal abgelehnt. Doch Düsseldorf setzte dem Modell den Vorschlag einer Verbundschule aus Haupt- und Realschule plus Außenstelle des Gymnasiums der Nachbarstadt entgegen. Verbunden mit dem Signal, dass die Modellschule nicht zustimmungsfähig sei. Ein Angebot, das Horstmar nicht ablehnen konnte.
Jetzt hat auch die Gemeinde Schalksmühle im Märkischen Kreis ein Konzept für eine Montessori-Gemeinschaftsschule ähnlich dem Ascheberger Modell erstellt. Um weiterführende Schulen vor Ort zu erhalten. Die Elternbefragung läuft.
Längeres gemeinsames Lernen befürwortet
„Wie Ascheberg und Schalksmühle geht es vielen kleinen Kommunen. Der Trend wird durch neue Umfragen der Bertelsmann Stiftung bestätigt. 28 Prozent der Eltern wollen Kinder nur vier Jahre gemeinsam unterrichtet wissen, alle anderen länger”, erklärt Dr. Ernst Rösner vom Institut für Schulentwicklungsforschung der Uni Dortmund. Rösner hatte auch die Gemeinde Horstmar und Schalksmühle beraten. Udo Beckmann vom Verband Bildung und Erziehung schätzt das Modell des längeren gemeinsamen Lernens sehr. „Vor allem pädagogisch, aber auch praktisch. Es lässt viele Gestaltungsmöglichkeiten.”
Berthold Paschert von der GEW in NRW hält das Ascheberger Modell für ein „bestechendes pädagogisches Konzept”, das eine gute Perspektive biete. Ganz anders Peter Silbernagel vom Philologenverband NRW. Nach seiner Überzeugung ist die „Einheitsschule”, wie er sie nennt, weder gut noch von Eltern gewünscht. In einer von seinem Verband in Auftrag gegebenen Umfrage lehnte die Mehrheit der 1000 Befragten (63 Prozent) die „Einheitsschule” ab.
Schul-Ministeriumssprecher Thomas Breuer sieht das ähnlich, will zu Ascheberg mangels Informationen aber noch nicht urteilen. Die Bezirksregierung Münster als direkte Aufsichtsbehörde indes sieht das Modell nach derzeitigem Stand für nicht mit dem Schulgesetz vereinbar.