Ferdinand Porsche kennt jeder, Karl Rabe kaum einer. Dabei hat der langjährige Chefkonstrukteur der Nobelmarke so manches Kultauto mitentwickelt. Sein Sohn Heinz Rabe erinnert sich

Sütterlin und Laptop: Heinz Rabe archiviert die Tagebücher seines Vaters. Fotos: Heinz Heiss
Sütterlin und Laptop: Heinz Rabe archiviert die Tagebücher seines Vaters. Fotos: Heinz Heiss © Heinz Heiss

Stuttgart. Ein falscher Tastendruck und Heinz Rabe löscht drei Monate. Der Rechner will sie nicht wieder hergeben. Drei Monate aus dem Leben des Chefkonstrukteurs von Porsche sind einfach weg. Mühsam hat sie der 77-jährige Spross rekonstruiert, Buchstabe für Buchstabe, Seite für Seite. Seit vier Jahren kennt der Rentner nur eine Nachmittagsbeschäftigung, macht an Zuverlässigkeit einem Boxer-Motor Konkurrenz. Im Porsche-Archiv in Zuffenhausen übersetzt er die in Sütterlin verfassten Tagebücher von Karl Rabe und tippt die Einträge ins Laptop. Ein Glück, dass sein Vater eine so leserliche Handschrift hatte.

Beim Aufräumen im Keller stieß der Ingenieurssohn auf den Nachlass, den keiner je gesucht hatte. Dabei war Karl Rabe ein akribischer Schreiber, kaum ein Tag, an dem er nicht zum Füller griff.

Aber nicht nur 20 Tagebücher, sondern auch Automobilgeschichte hat der Österreicher Karl Rabe geschrieben. Ferdinand Porsche holte ihn 1931 nach Stuttgart, wo er bis zu seiner Pensionierung 1965 als Chef am Reißbrett an etlichen Konstruktionen beteiligt war: dem Auto-Union-Rennwagen mit 16-Zylinder-Triebwerk, dem bei Porsche in Auftrag gegebenen Volkswagen oder Schleppern für die Landwirtschaft. Ein Multitalent, dessen Arbeit mit zum Aufstieg des Automobilherstellers geführt hat - mit dessen Namen aber nur wenige etwas anfangen können.

"Ich bin genauso alt wie die Firma", sagt Heinz Rabe, steckt sich eine Pfeife an und setzt die Puzzleteile der Vergangenheit zusammen. Er ist 1931 geboren, auf dasselbe Jahr datiert die Eintragung der Dr. Ing. h. c. F. Porsche Gesellschaft in das Handelsregister. Die beiden sind im Laufe der Jahrzehnte zusammengewachsen, die Familien nicht nur über Gehaltszettel miteinander verbunden.

Der Begründer der schwäbischen Vorzeigefirma ist der Pate von Heinz Rabe. Zur Taufe gab es ein silbernes Besteck. "Ich habe ihn immer Onkel Porsche genannt", erzählt Heinz Rabe und zieht eine Schwarz-Weiß-Aufnahme aus den dreißiger Jahren aus dem Album. Ein Foto von ihm als kleiner Junge auf der Terrasse der Villa Porsche. Eine Episode aus jener Zeit, kurz vor Weihnachten, hat sich in sein Gedächtnis eingenistet. Auf einem Tisch in der Villa war eine Märklin-Modelleisenbahn aufgebaut. Für den achtjährigen Jungen eine ganz besondere Versuchung. Doch so sehr er auch drängelte, er durfte nur Bahnhofsvorsteher sein - mit Schildmütze und Signal in der Hand. Sein Vater und Ferdinand Porsche ließen die Züge kurven.

Ein Ingenieur ist dennoch nicht aus Heinz Rabe geworden - wohl aber ein Jurist, der wie der Senior ein Leben lang dem Automobilhersteller treu blieb. Er hat vor allem gute Erinnerungen an den Firmengründer. Dabei ist Ferdinand Porsches Rolle gerade im Dritten Reich sehr umstritten. Er galt als Hitlers Lieblingsingenieur und ist zum obersten Militärmaschinenbauer der Nazis aufgestiegen. Ein Kapitel, über das Heinz Rabe lieber nicht so ausführlich reden will. Zumal sein Vater ebenfalls ein Rädchen im System war: Auch er beschäftigte sich mit der Entwicklung von Motoren für Panzerfahrzeuge und galt als ein Profiteur des Krieges.

Heinz Rabe fing nach dem Jurastudium ganz unten bei Porsche an, als Praktikant in der Personalabteilung, und kam bald nach oben, er wurde Leiter des Sozialwesens. Bereits 1960 hat Rabe die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall mit auf den Weg gebracht.

Er förderte in den 70er-Jahren den Betriebssport, wo es ging, und stöhnte dennoch darüber, dass Abteilungsleiter morgens um sieben zum gemeinsamen Gymnastiktraining antreten sollten. Als Anfang der 90er-Jahre die Firma in der Krise steckte, litt Heinz Rabe mit. Er musste Abfindungsverhandlungen führen und begleitete so manchen in den vorzeitigen Ruhestand. Von 9000 Mitarbeitern blieben 6500 übrig.

Nur selten kreuzten sich in der Firma die Wege von Vater und Sohn. Heinz Rabe versuchte, sich so weit wie möglich aus dem Schatten des Chefkonstrukteurs und Mitglieds der Geschäftsleitung zu entfernen. Den "Papa Rabe", wie der Senior wegen seiner sozialen Ader von Kollegen genannt wurde, traf er nach Feierabend. Oder er musste als Chauffeur herhalten, denn Karl Rabe setzte sich nur ungern hinters Steuer. Der Konstrukteur der schnittigsten Fahrzeuge der Renngeschichte, hat sich selbst nie einen Porsche zugelegt. Erst fuhr er einen Adler, später Volkswagen. "Ihm behagte das hohe Tempo nicht", sagt sein Sohn.