An Rhein und Ruhr. Seit mehr als 30 Jahren backen Peruanerinnen die traditionellen „Papa Rellena“ auf dem Essener Weihnachtsmarkt. Für die Kult-Kartoffelspeise erdulden Fans lange Anfahrten und Warteschlangen. Es reisen sogar welche aus Holland, aus Belgien, ja sogar aus Irland an.

Worauf warten die Leute eigentlich? Die Schlange reicht vom Europahaus bis zur Ecke Salzmarkt. „Die machen aus Kartoffeln so große Dinger mit Fleisch. Die Kartoffeln werden zu einer Pampe gemacht und dann kommt Hackfleisch rein“, erklärt ein Kenner den Ahnungslosen. „Diese Kartoffeltaschen gibt’s nur auf dem Essener Weihnachtsmarkt! Und in Peru natürlich.“ Eine frittierte Riesenkrokette mit treuer Fangemeinde. Im Internet schließen sich schon Wochen im voraus Reisegruppen zusammen: „Wer hat Lust mit zu kommen?“ „Nur für die Peru-Kartoffel quäle ich mich jedes Jahr durch die überfüllte Innenstadt.“

Aus Holland, aus Belgien, ja sogar aus Irland reisen die Hungrigen an. Der Stand auf dem Kennedyplatz, an der Ecke vor der großen Stahlskulptur ist leicht zu finden. Davor zwei Warteschlangen. Die eine für Schinken-Käse-Mais-Füllung, die andere für Rinderhack. Welche ist besser? Schwer zu sagen, muss man abwechselnd essen.

Die Geschichte der Peru-Kartoffel ist nicht lang

Das System ist in den letzten 35 Jahren immer weiter verbessert worden. Kassiert wird im Voraus, gegen Plastikchip. Geschirr gegen Pfand, bitte nachher am Spülmobil abgeben. Man kann während der Wartezeit drei Frauen mit traditioneller peruanischer Kopfbedeckung, Schürzen, Ärmelschonern und Hygiene-Handschuhen beim Kartoffelkneten zusehen. Ja, die Köchinnen kommen wirklich aus Peru, nur für den Essener Weihnachtsmarkt. Nein, sie sprechen kein Wort Deutsch und können das Rezept, das in Peru jeder Hausfrau so geläufig ist, wie hier Kartoffelsalat, nicht verraten. In großen Kühlschränken wird der Kartoffelteig, die Füllungen, Tomatensoße und Krautsalat aufbewahrt. Wann bereiten sie diese Komponenten eigentlich vor? Nachts? Und wo?

Irgendwo im Essener Stadtgebiet muss sich eine konspirative Kartoffelküche befinden, die nur zur Weihnachtszeit betrieben wird. Die Geschichte der Peru-Kartoffel ist schnell erzählt: in einer Zeit, als es noch keine Dönerbuden und gerade eine Handvoll Pizzerien in Essen gab, tauchten eine winziger Stand mit Kartoffelklößen auf. Eine exotische Insel im Meer von gebrannten Mandeln, Glühwein und Backfisch-Brötchen. Die Essener kannten bloß die „Anden-Flötisten“. Straßenmusiker mit bunten Strickmützen, die unermüdlich „el condor pasa“ auf der Panflöte bliesen. Warum nicht mal eine Spezialität aus den Anden probieren, wenn die sozusagen die Kartoffel erfunden haben…

Überhaupt nicht scharf

„Ist das auch wirklich nicht scharf?“ Einhelliges Kopfschütteln. Nein, nicht scharf.

Im Gegenteil, geradezu ein Kinderlieblingsessen: es vereint den Geschmack von Kartoffelpüree und Pommes mit der geliebten Hacksoße, die sonst im Duo mit Spaghetti auftritt. Lecker! Der Siegeszug der Kartoffel, die korrekt „papa rellena“ heißt, war nicht mehr aufzuhalten. Dahinter stehen ein Mann aus Peru und seine deutsche Frau, die das Geschäft in aller Stille betreiben. Nein, sie wollten nie expandieren, kein Imperium von Kartoffelständen auf allen Weihnachtsmärkten der Region errichten. Sie wollen keine Interviews geben und nicht bekannt werden. Man weiß nur, dass sie jedes Jahr einige Monate in Peru verbringen und alle Saison-Kartoffelkneterinnen persönlich kennen.

Das Geschäft brummt, es wächst von Jahr zu Jahr… und keiner, der es erfolgreich nachgemacht hätte. Seit kurzem ist das „Geheim-Rezept“ bekannt, kursiert in Internet-Rezeptforen und die Fans versuchen, ihre Lieblings-Kartoffeln zuhause nach zu kochen…. Ja, schon ok. Aber es schmeckt nicht so echt, wie auf dem Essener Weihnachtsmarkt. Die müssen irgendeine Geheimzutat reintun. Das, was einen beim ersten Biss verliebt macht und nie wieder loslässt. Wann ist endlich wieder Ende November?! Dann beginnt unsere Peru-Kartoffelzeit.