Essen. Warum stehen Studenten schon um sieben Uhr auf? Weil um acht der Supermarkt schließt. So mancher Student kann über solche Sprüche nicht mehr lachen. Denn in vielen Fällen haben sie mit der realen Welt nichts zu tun. Wir räumen auf mit Vorurteilen und Irrtümern rund ums Studium.

1) Studenten sind faul.

Das ist ein Klischee, so alt wie die Institution Universität. Mit der Realität hat es indes wenig zu tun. Die aktuelle Sozialerhebung des Studentenwerks, eine der umfassendsten Studentenbefragungen überhaupt, zeigt: Studenten wenden durchschnittlich 35 Stunden pro Woche fürs Studium auf, davon 18 für Lehrveranstaltungen und 17 fürs Selbststudium.

Das klingt - angesichts von regulären 40-Stunden-Wochen im Job - nicht viel? Nun, für fast zwei Drittel der Studierenden ist der Arbeitstag mit der letzten Vorlesung nicht vorbei: 61 Prozent jobben neben dem Studium, durchschnittlich 13 Stunden pro Woche. Macht addiert 48 Stunden - soziales Engagement in Vereinen oder wohltätigen Organisationen noch nicht eingerechnet.

2) Mit einem Bachelor-Abschluss bekommt man keinen Job.

Eine Sorge, die viele Bachelor-Studenten umtreibt. Indes: Belegt ist sie nicht. Eine Studie des Hochschulinformationssystems und dem Institut der Deutschen Wirtschaft zeigt: Ein Viertel der Universitäts-Absolventen und die Hälfte der Fachhochschul-Absolventen nimmt nach dem Bachelor direkt eine Berufstätigkeit auf, verzichtet also auf den Master. Die Arbeitslosenquote unter Akademikern ist dennoch unverändert niedrig: Nur 2,4 Prozent - unabhängig vom Hochschulabschluss - sind arbeitslos gemeldet.

Wie gut die Chancen auf dem Arbeitsmarkt tatsächlich sind, hängt auch von der Fachrichtung ab: Wirtschaftswissenschaftler und Ingenieure haben Umfragen zufolge auch gute bis sehr gute Chancen, mit einem Bachelor einen Job zu finden. Naturwissenschaftler ohne weiterführenden Abschluss tun sich dagegen auf dem Arbeitsmarkt schwer.

Von Fachkräftemangel ist an den Unis nichts zu sehen

3) Studenten sind nur am Nörgeln.

Das ist falsch. Eine Umfrage aus dem vergangenen Jahr zeigt: Die überwiegende Zahl der Studenten in Deutschland ist mit ihrer Lage insgesamt zufrieden. 73 Prozent geben an, alles in allem gerne an ihrer Hochschule zu studieren.

Insbesondere die fachliche Qualität des Lehrpersonals wird von den Studenten gewürdigt: 72 Prozent sind zufrieden mit der Qualifikation der Dozenten. Weniger gut beurteilen sie deren didaktische Fähigkeiten: Hier sind nur 45 Prozent zufrieden.

4) Deutschland gehen die Ingenieure aus.

Wer einen Blick auf die Statistik wirft, kann kaum glauben, dass immer wieder der "Fachkräftemangel" heraufbeschworen wird. Zumindest unter den Akademikern ist davon nichts zu erkennen. Keine Studienrichtung wird so oft eingeschlagen, wie Ingenieurs-Studiengänge.

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22 Prozent der Studenten in Deutschland sind laut der Sozialerhebung des Studentenwerks in Ingenieurs-Studiengängen eingeschrieben. 21 Prozent studieren Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, 20 Prozent haben sich für Medizinstudium entschieden.

Wie Studenten ihr Studium finanzieren

5) Studenten sind meist Singles und scheuen feste Partnerschaften.

Falsch. Über die Hälfte der Studenten in Deutschland gibt an, in einer festen Beziehung zu sein. Jeder Fünfte lebt mit seinem Partner bzw. seiner Partnerin in einer gemeinsamen Wohnung.

Einige sind sogar schon in die Familienplanung eingestiegen: Fünf Prozent der Studenten haben Kinder.

6) Studenten liegen Papa und Mama auf der Tasche.

Klar, viele Studenten werden von ihren Eltern finanziell unterstützt. Doch knapp zwei Drittel von ihnen verdienen sich neben dem Studium etwas hinzu. Und wiederum zwei Drittel der jobbenden Studenten gibt als Hauptmotivation dafür an, "unabhängig von den Eltern sein" zu wollen.

Langzeit-Studenten finden keinen Job? Quatsch.

7) In die Mensa gehen Studenten nur, wenn es sich unter gar keinen Umständen vermeiden lässt.

Verkochte Nudeln, vertrockneter Salat und Schuhsohlen-Schnitzel: Bei manchem Mensa-Essen ist es fraglich, ob bei einer Laborprobe Spuren von Nahrung zu erkennen wären. Doch auch wenn Kritik über die Qualität der örtlichen Mensa auf jedem Campus zu hören ist, sind die meisten Studenten häufig dort anzutreffen.

Über 80 Prozent der Studenten sind in der Vorlesungszeit mindestens einmal wöchentlich in der Mensa, die meisten von ihnen zum Mittagessen. Befragt nach den Gründen geben sie "räumliche Nähe zur Hochschule" und, aufgemerkt!, die "hohe Qualität des Angebots" an.

8) Wer zu lange für das Studium braucht, findet keinen Job.

Noch so eine Campus-Legende, die seit vielen Jahren erzählt wird, ohne dass es dafür eine belastbare Quelle gibt. Personalchefs räumen freimütig ein, dass sie inzwischen lieber einen älteren, dafür aber mit mehr Lebenserfahrung ausgestatteten Bewerber einstellen als einen 22-jährigen Turbo-Absolventen.

Auch Studien belegen, dass die Studiendauer keinen Einfluss auf die Job-Chancen hat. Das Hochschulinformationssystem in Hannover untersucht regelmäßig die Erfolgschancen von Uni-Absolventen. "Es lassen sich keine zwingenden Belege dafür finden, dass ein kurzes Studium von Arbeitgebern als Signal einer höheren Produktivität und Organisiertheit der Absolventen gewertet wird«, schreibt der Leiter der Studie, Michael Grotheer.

Bafög muss nicht zurückgezahlt werden?

9) Bafög-Leistungen muss man nicht zurückzahlen.

Das war einmal so, gilt aber schon länger nicht mehr. Nach unzähligen Reformen gilt heute: Wer Bafög-Leistungen bekommt, muss später die Hälfte davon zurückzahlen, maximal allerdings 10.000 Euro.

Wie viel Bafög Studenten bekommen, richtet sich nach dem Einkommen der Eltern und den eigenen Vermögensverhältnissen. Der Höchstsatz liegt derzeit bei 670 Euro.

10) Das Studium muss in Regelstudienzeit abgeschlossen werden.

Nein, die Regelstudienzeit soll Studenten darüber informieren, in welchem Zeitrahmen ein Studiengang realistischerweise abgeschlossen werden kann. Sie stellt aber keine Verpflichtung dar, auch tatsächlich in dieser Zeit sein Studium zu beenden.

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Ewig studieren geht in vielen Studiengängen aber nicht mehr. Die Prüfungsordnungen begrenzen das Studium vielerorts auf eine bestimmte Zahl von Semestern. Wer es in der vorgegebenen Zeit nicht schafft, hat Pech.