Essen. Libellen stechen und Ohrenkneifer kneifen? Alte Mythen machen Insekten und Spinnen oft gefährlicher als sie sind. Wir räumen mit neun Irrtümern auf!
Insekten sind überall. Zum Glück – denn sie gehören zur Natur wie die Blätter am Baum. Aber wie gefährlich sind hiesige Insekten und Spinnen für uns Menschen wirklich? Wir haben mit dem Biologie-Dozenten Thomas Eltz von der Ruhr-Uni Bochum gesprochen und räumen ein paar Vorurteile über die Krabbeltiere aus der Welt.
Giftige Spinnen gibt's bei uns nicht – nur die Kreuzspinne.
Falsch! Eigentlich sind alle Webspinnen giftig. Sie brauchen das Toxin aus ihren Giftdrüsen, um ihre Beute im Netz zu betäuben und zu töten. Aber nur die allerwenigsten Spinnen in Deutschland können mit ihren Giftklauen die menschliche Haut durchdringen.
Das können zum Beispiel die seltene Wasserspinne oder einige Dornfinger-Arten. Die Wirkung ihrer Bisse ist vergleichbar mit einem Wespenstich. Übrigens: Die Klauen der Kreuzspinne sind für die Haut viel zu schwach. Damit wäre dieser Mythos schon mal aus der Welt geschafft.
Nur Allergiker müssen sich vor deutschen Insekten fürchten.
Stimmt! Eine Begegnung mit heimischen Insekten oder Spinnen kann zwar unangenehm sein, aber nicht tödlich. Wäre da nicht die Gefahr eines allergischen Schocks: Auf jedes Gift kann der menschliche Körper allergisch reagieren – und dann kann's im Extremfall auch tödlich enden. Problematisch sind Allergien gegen Bienen, Wespen und Co. nicht zuletzt deshalb, weil der Betroffene bis zum ersten Stich nichts davon weiß.
Hornissen sind die aggressivsten Insekten in Deutschland.
Falsch! Waldemar Bonsels mag Hornissen in seiner "Biene Maja" noch so sehr verteufeln – heimische Arten sind nicht angriffslustiger als andere Wespen. Ganz im Gegenteil. Wer einmal ein Hornissennest im Garten hatte weiß: Wespen interessieren sich weit mehr für den Kuchen als Hornissen.
Die sind einfach nur größer und lauter als Wespen, aber lassen zumindest die Kaffeetafel in Ruhe. Ihr Stich ist auch nicht gefährlicher oder schmerzhafter. Aber wie alle anderen sozialen Insekten, die in Staaten leben, verteidigen sie ihr Nest. Also nicht zu nah ran!
Wenn das Licht aus ist, kommen Mücken nicht ins Schlafzimmer.
Falsch! Obwohl das sehr praktisch wäre: die ganze Nacht lüften ohne Mückengefahr... Aber so einfach machen es uns die Plagegeister nicht. Sie orientieren sich nämlich nicht am Licht, sondern am Körpergeruch. Deshalb sollte man vor dem Schlafengehen lieber nochmal duschen. Außerdem haben die Stechinsekten eine Vorzugstemperatur – und wenn es ihnen drinnen besser gefällt als draußen, dann kann man ohne Mückennetz nichts tun.
Libellen haben einen langen Stachel.
So ein Quatsch! Libellen haben zwar einen extrem langen Hinterleib, aber einen Stachel haben sie nicht. Die majestätischen Tiere wirken nur deshalb so einschüchternd, weil sie groß sind (bis zu 20 Zentimeter!) und in vollem Tempo vorbeirasen.
Das müssen sie auch: Libellen sind Luftjäger, die auf Sicht fliegen – und ständig ihren Nahrungsraum patroullieren. Gegen Angriffe können sich die Beutetiere aber nicht wehren. Sie fliegen lieber davon.
Die liebe Hummel tut doch nichts.
Falsch! Hummeln stechen genauso wie andere Bienen. Sie wirken vielleicht friedliebender und behäbiger, aber das mag daran liegen, dass sie seltener um den Pflaumenkuchen schwärmen. Wenn Hummeln ihr Nest oder ihren Erdbau bedroht sehen, dann stechen sie zu.
Fliegen können gar nicht stechen.
Leider doch! Zumindest, wenn man "Fliegen" im erweiterten Sinne meint. Gnitzen zum Beispiel sind zwar nur zwei Millimeter klein und sehen aus wie Fruchtfliegen – aber sie gehören zur Familie der Mücken. Trotz ihrer geringen Größe ist ihr Stich schmerzhafter als der einer Standard-Mücke. Außerdem treten sie gern in Scharen auf. Noch fieser sind Kriebelmücken, die auch aussehen wie kleine Fliegen.
Ihr Vorgehen ist besonders rabiat: Sie haben keinen Stachel, sondern kratzen die Haut an. Und fast hätte wir's vergessen: Bremsen sind für Freibadfans das schlimmste Übel der wassernahen Welt. Die Viecher stechen sogar durch Kleidung und hinterlassen einen Stich, der jeder Beschreibung spottet. In all diesen Fällen ist es der gerinnungshemmende Speichel, der Schwellungen und Juckreiz hinterlässt. Die gemeine Stubenfliege tut aber nichts – "Puck" nervt nur.
Ohrenkneifer zwicken und krabbeln, klar: in die Ohren!
Eher nicht. Ohrenkneifer können mit ihren Zangen am Hinterleib zwar auch zwicken, aber das merkt ein Mensch kaum. Und einen Stachel haben sie auch nicht. Ihre Kneifer haben andere Funktionen: Sie wehren damit Feinde ab, und die Männchen umklammern damit bei der Paarung das Weibchen.
Fliegende Arten nutzen die Kneifer auch zum Flügel-Einklappen. Übrigens: Mag sein, dass irgendwann mal irgendwer einen Ohrenkneifer im Ohr hatte. Ihr bevorzugter Aufenthaltsort ist das aber nicht...
Insektenstiche sind nicht immer giftig.
Falsch! Zwar denkt man nur bei Wehrstichen von Bienen, Wespen und Co. an klassisches Gift, aber auch bei Fraß- oder Saugstichen ist Gift im Spiel. Wenn zum Beispiel Mücken zum Blutsaugen andocken, dann setzen sie mit ihrem Speichel Proteine ein. Sie wirken als Blutverdünner – aber leider auch als Auslöser von Juckreiz, Allergien oder Druckschmerz.