Düsseldorf. Obwohl ihr Asylantrag abgelehnt wurde, bleiben viele Flüchtlinge in Deutschland. 52.000 abgelehnte Asylbewerber leben in NRW, viele werden geduldet.

NRW hat bis Anfang ­September mehr abgelehnte Asyl­bewerber abgeschoben als im ge­samten Vorjahr. Die meisten der 2293 Abschiebungen führten in die Balkanländer Serbien, Montenegro und Kosovo. Angesichts der 52 .000 Ausreisepflichtigen in NRW fordern CDU und FDP deutlich mehr ­Abschiebungen. Der FDP-Innen­experte Joachim Stamp kritisierte „Vollzugsdefizite bei der Rückführung“ und sprach gegenüber unserer Redaktion von „chaotischen Verhältnissen“. NRW-Innenminister Ralf ­Jäger (SPD) pochte auf schnellere Asylverfahren. „Das ist der Schlüssel der Lösung. Das ist das alles entscheidende Nadelöhr im Moment.“

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Nach Angaben des Innenministeriums wurden in NRW von Januar bis Anfang Juli 12.447 Asylanträge abgelehnt. Zum 31. August lebten 52.000 abgelehnte Asylbewerber in NRW. 40. 636 davon sind Menschen, deren Asylantrag zwar abgelehnt wurde, die aber aus unterschiedlichen Gründen, wie etwa Krankheit, für weitere Monate „geduldet“ werden. Zwar stehen 11 .400 abgelehnte Asylbewerber aktuell unter keinem Abschiebeschutz und müssten sofort abgeschoben werden. Viele tauchen aber mit ihrer Familie unter.

3200 traten "geförderte Ausreise" an

Nach Angaben des NRW-Innenministeriums haben zudem bis Anfang August 3200 abgelehnte Asylbewerber freiwillig eine „geförderte Ausreise“ angetreten. Davon kam ­jeder zweite Bewerber vom Balkan. NRW rechnet dieses Jahr mit einem Anstieg auf 170. 000 Flüchtlinge, ­davon 80 .000 vom Balkan. CDU-Innenexperte Peter Biesenbach fordert schnellere Abschiebungen, „damit die Akzeptanz in der Bevölkerung für die Aufnahme der wirklich Schutzbedürftigen erhalten bleibt“.

Stamp kritisierte, dass ein Teil der Duldungen durch die langen Asylverfahren begründet ist. Er forderte eine Straffung, um Härtefälle mit jahrelangem Duldungsstatus zu ­vermeiden. Biesenbach vermisst eine vernünftige Altfallregelung für Flüchtlinge, die aufgrund des „Nichthandelns der Behörden“ viele Jahre geduldet in NRW lebten. In jedem Fall müsse vermieden werden, dass neue Flüchtlinge auf lange Zeit in der Unsicherheit leben müssten.

Bund und Länder haben vereinbart, dass Abschiebungen aus humanitären Gründen künftig nur noch drei statt bisher sechs Monate aus­gesetzt werden. Die Abschiebung in die zu „sicheren Herkunftsländern“ erklärten Albanien, Kosovo und Montenegro wird erleichtert.

Was bedeutet eine Duldung? - Fragen und Antworten zum Asylverfahren 

Mehr als jeder zweite Asylantrag in NRW wird abgelehnt – der Antragsteller muss das Land verlassen. Eigentlich. In der Praxis aber leben derzeit mehr als 52 000 abgelehnte Asylbewerber weiter in NRW. Gleichzeitig können Hunderttausende Asylanträge aufgrund unbesetzter Bearbeiterstellen nicht bearbeitet werden.

Warum werden viele trotz eines abgelehnten Asylantrags nicht abgeschoben?

Die Abschiebung ist immer das letzte Mittel, wenn abgelehnte Asylbewerber nicht freiwillig das Land verlassen. Vorher aber kann der Flüchtling gegen die Entscheidung juristisch Einspruch einlegen. Ist der Einspruch erfolglos, hat der Asylbewerber einen Monat Zeit zur freiwilligen Ausreise. Anschließend organisiert die Ausländerbehörde die Abschiebung.

Warum werden aber viele abgelehnte Flüchtlinge weiter geduldet?

Wenn eine Person krank und damit reiseunfähig ist oder weil Kinder seit längerem hier leben und gut integriert sind, kann ein weiterer Aufenthalt geduldet werden.

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Auch wenn Behörden in Heimatländern die Wiederaufnahme ihrer Staatsbürger verwehren oder Identitätsnachweise wie Pässe nicht auffindbar sind, wird eine Abschiebung erschwert.

Die Opposition kritisiert, dass Rot-Grün in NRW einen „Sensibilisierungs-Erlass“ verhängt hat. Was hat es damit auf sich?

Die Opposition fordert die Rücknahme des Erlasses, wonach die Ausländerbehörden für bereits rechtskräftig abgelehnte Asylbewerber noch einmal jeden Einzelfall prüfen müssen. Außerdem dringen Oppositionspolitiker darauf, dass Familienmitglieder auch einzeln abgeschoben werden können.

Was soll sich nach der Vereinbarung von Bund und Ländern bei der Abschiebung ändern?

Bisher tauchten abgelehnte Asylbewerber oft ab, wenn der angekündigte Abschiebetermin näher rückte. Künftig sollen Termine nicht mehr vorab angekündigt werden. Außerdem will NRW Neuankömmlinge vom Balkan, deren Asylantrag zu 99 Prozent abgelehnt wird, direkt aus den Landesunterkünften abschieben und nicht mehr auf Kommunen verteilen.

Wie viele abgelehnte Flüchtlinge verlassen NRW freiwillig?

Bis Anfang Juli nutzten 3222 abgelehnte Asylbewerber die „geförderte Ausreise“. In diesen Fällen gab es meist eine Übernahme der Reisekosten sowie eine Starthilfe für den Neuanfang. Jede zweite freiwillige Ausreise führt in den Balkan. Wer freiwillig ausreist, erhält keinen Einreise-Sperrvermerk in den Pass gestempelt, so dass eine spätere Einreise möglich bleibt.