Essen. Ein syrischer Flüchtling, der in Deutschland gelandet ist, lässt sich auf der Plattform Reddit ausfragen. Seine Antworten sind entwaffnend ehrlich.
Warum bist du geflohen, anstatt für dein Land zu kämpfen? Du bist doch nur scharf auf die Sozialhilfe. Ihr seid doch alle kriminell. Fragen und offene Anschuldigungen wie diese liest man sehr häufig unter Facebook-Einträgen, die sich mit Flüchtlingen beschäftigen. Jetzt antwortet ein Flüchtling. Er ist 18 Jahre alt, stammt aus Syrien und lebt seit neun Monaten in Deutschland.
KommentarAuf der Plattform Reddit hat er ein AMA (Ask me anything, Frag mich alles) gestartet. Das Interesse ist gigantisch, knapp zehn Millionen Menschen haben das Frage-Antwort-Spiel verfolgt, das es zwischenzeitlich auf die Startseite des Portals geschafft hatte. Wohl vor allem, weil die Antworten des jungen Mannes, der seinen Namen nicht verrät, so nüchtern und entwaffnend sind.
"Gegen wen hätte ich gekämpft?"
"Bedenke, es ist ein Bürgerkrieg, es ist keine Invasion eines anderen Landes", antwortet er auf die Frage, warum er geflohen sei, statt zu kämpfen. "Gegen wen hätte ich gekämpft? Im Zweifel gegen einen Mann wie mich auf der anderen Seite der Schlacht. Einer von uns hätte den anderen getötet, ohne dass sich etwas geändert hätte und ohne dass das den Krieg beendet hätte." Aber Syrien hätte einen Mann verloren, der viel Besseres für die Zukunft des Landes tun könnte als eine Waffe zu halten. "Am traurigsten macht mich, dass die Menschen, die mich fragen, warum ich nicht gekämpft habe, nichts über die Situation in Syrien wissen und niemals erlebt haben, wie grausam Krieg sein kann."
Und die Sache mit den Kriminellen? "Ja, es kommen sehr viele Menschen, aber wir kommen nicht, um Verbrechen zu begehen", schreibt er. In Syrien seien Regierung und Justiz korrupt, Armut sei weit verbreitet und trotzdem habe sich die Kriminalität in Grenzen gehalten. "Warum sollten die Menschen in einem sicheren Land, das sie willkommen heißt, jetzt kriminell werden?"
Terroristen? "Ja, mit allergrößter Wahrscheinlichkeit"
Er beantworte all diese Fragen, weil er seinen Lesern helfen wolle, die Situation der Flüchtlinge in Europa aus einer neuen Perspektive zu betrachten. Dabei räumt er mit Vorurteilen auf, vertuscht aber keine Probleme: Gibt es IS-Terroristen unter den Flüchtlingen? "Ja, mit allergrößter Wahrscheinlichkeit."
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Kritisch beurteilt er, dass viele Flüchtlinge nicht in Ungarn, Griechenland oder Bulgarien bleiben, sondern unbedingt nach Deutschland wollen. Wer Ungarn verlasse, um nach Deutschland zu gehen, beleidige das ungarische Volk. Allerdings fürchte er, dass die ärmeren Länder Europas nicht in der Lage seien, die Flüchtlinge zu versorgen. Deshalb rate er den reichen Ländern, mehr Flüchtlinge aufzunehmen, um diese Last von den Schultern ihrer Nachbarn zu nehmen.
"Die Mehrheit ist nett und dankbar"
Ein Fragesteller will wissen, warum einige Flüchtlinge Essen und Wasser, das sie von Helfern bekommen hatten, einfach weggeschmissen hätten. "Weil sie Arschlöcher sind?", antwortet der Syrer schonungslos. Er sei sich allerdings sicher, nur eine kleine Minderheit würde ein solches Verhalten zeigen. Niemand in Syrien habe etwas bekommen, ohne dafür zu arbeiten. "Bitte habt Geduld und schaut euch um, dann werdet ihr sehen, dass die Mehrheit dankbar und nett ist."