Düsseldorf/Köln. . Deutschlandweit steigt die Gewaltbereitschaft bei den Corona-Protesten an, auch in NRW. Innenminister Reul (CDU) appelliert an Zivilgesellschaft.

Die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen haben sich in Deutschland seit Anfang Dezember flächendeckend deutlich ausgeweitet. Sowohl bei der Anzahl der Demonstrationen als auch bei der Teilnehmerzahl verzeichnen nahezu alle Bundesländer einen Anstieg bis hin zu einer Verdreifachung, wie aus einer Umfrage des Evangelischen Pressedienstes unter den zuständigen Behörden hervorgeht.

Das Verhalten der Menschen, die gegen die Corona-Politik demonstrieren wird auch in Nordrhein-Westfalen zunehmend aggressiver und gewaltbereiter. Hier heißt es, es seien verstärkt „verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Tendenzen“ erkennbar.

NRW-Innenminister Reul: Bei Corona-Protesten mehr als Polizei nötig

Teilweise würden auch Gewalt befürwortet und „rechtsextremistische Narrative geprägt“. Das NRW-Innenministerium spricht von einer „Trendumkehr“ mit stark steigender Teilnehmerzahl bei den Aufmärschen im Bundesland.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sieht deshalb auch die Zivilgesellschaft gefordert. Allein mit restriktiven Maßnahmen sei das nicht zu schaffen, sagt Reul am Donnerstag (16. Dezember) im WDR-Morgenecho.

„Wir können ja nicht alle Leute bewachen. Da muss man ja auch Realist sein“, so der Innenminister. Es komme da „auch ganz stark drauf an, wie die gesamte Gesellschaft damit umgeht“. Eine Haltung, immer unbedingt recht haben zu wollen, könne dazu führen, dass sich solche Gruppen immer stärker zusammenschlössen und radikalisierten.

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Corona-Demonstrationen werden unberechenbarer

Das Ausmaß der Proteste sei in NRW nicht so gravierend wie in Sachsen und Thüringen, sagt Reul weiter. Die Zahl der Menschen, auch bei den einschlägigen Social Media-Plattformen, nehme jedoch zu. Die öffentlichen Aufritte würden zudem unberechenbarer. In Nordrhein-Westfalen habe es am vergangenen Wochenende 27 kleinere und größere Demonstrationen gegeben. Zu Demonstrationen, die mit 30 oder 100 Leuten angemeldet seien, kämen zum Teil bis zu 2.000 Menschen.

Innenminister Reul für Ausweitung der Ermittlungsbefugnisse

Da der Austausch der radikalen Gegner der Corona-Maßnahmen zunehmend über das Internet stattfindet, plädierte Reul für eine Ausweitung der Befugnisse für die Ermittlungsbehörden und für den Einsatz neuer technischer Möglichkeiten. Um die Mengen an Daten im Internet und auf Social-Media-Plattformen im Blick haben zu können, wären Tausende weiterer Mitarbeiter nötig. Ähnlich wie bei der Verfolgung von Kindesmissbrauch im Internet müsse man sich auch hier stärker der Frage zuwenden, „in wieweit uns da auch Technik helfen kann“.

NRW-Innenminister Herbert Reul plädiert für Ausweitung der Ermittlungsbefugnisse gegen gewaltbereite Demonstranten.
NRW-Innenminister Herbert Reul plädiert für Ausweitung der Ermittlungsbefugnisse gegen gewaltbereite Demonstranten. © Marcel Kusch/dpa | Marcel Kusch/dpa

Für die Verfolgung von beispielsweise Aufrufen zu Gewalt und Anschlägen müsse das Netzwerkdurchsetzungsgesetz so reformiert werden, dass auch die als privat geltenden Verbindungen des Dienstes Telegram erfasst werden könnten. Bei der Verfolgung von Taten über das Internet müsse darüber debattiert werden, wo die Grenzen des Datenschutzes seien und was der Polizei erlaubt werde, sagt Reul.

Sozialpsychologin warnt vor „rechtsextremen Strukturen"

„Häufig gibt es die Vorstellung, das seien bürgerliche Proteste, unter die sich einige Rechte gemischt haben“, sagt Sozialpsychologin Pia Lamberty dem epd. „Das ist verkehrt.“ Die Menschen, die nun auf die Straße gingen, wüssten, worauf sie sich einließen: Der Antisemitismus, die rechtsextremen Strukturen, die teils menschenverachtenden Parolen seien bekannt.

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Mit der möglichen Einführung einer allgemeinen Impfpflicht erwarte sie mehr Gewalt, so die Geschäftsführerin des Berliner Center für Monitoring, Analyse und Strategie. Sie sprach sich für stärkere staatliche Repressionen etwa bei der Verbreitung von Hetze und menschenverachtenden Inhalten aus. (epd)