Oberhausen/Emmerich. . Im diesem Jahr kommt das Baurecht, im nächsten Jahr der Bagger: Unterwegs auf der Betuwe-Linie zwischen Emmerich und Oberhausen.
Hier bleibt in den nächsten Jahren kein Gleis in seinem Bett: Auf 73 Bahnkilometern zwischen Oberhausen und der Landesgrenze wird die DB Projekt-AG die Strecke umbauen. Die Bahn ist überzeugt: Am Ende wird alles besser. Für Anwohner, für Bahnkunden, für die Wirtschaft in der Region und europaweit.
Die Menschen entlang der Strecke, deren Häuser und Gärten zum Teil bis auf wenige Meter an die Gleisstränge heranrücken, sehen das anders. 10.000 Einwendungen haben Privatpersonen gegen die Planfeststellungsverfahren eingereicht, rund 400 kommen von den „Trägern öffentlicher Belange“: Gemeinden, Verbände, Feuerwehren und so weiter.
Dennoch setzt die Bahn darauf, für erste Teile des 1,5-Milliarden-Projektes 2015 Baurecht zu bekommen. Was wo vorgesehen ist, kann man beim Blick aus dem Zugfenstern heute nur erahnen. Aber Reisen bildet, also fahren wir mit im Regionalexpress.
Auf dem Weg von Oberhausen nach Sterkrade kreuzt die Bahn nach wenigen Metern eine Güterzugstrecke: Hier hat die Bahn vor zwölf Jahren Verbindungskurven angelegt, damit die erwarteten 186 Güterzüge täglich sich leichter verteilen lassen auf die Strecken des Reviers. Deswegen soll es eine weitere Kurve geben, zum Abbiegen von und nach Bottrop. Drei Gleise liegen hier schon, vier sollen es werden. Richtung Holten wird es dreigleisig. Die Anwohner links und rechts sollen mit bis zu sechs Meter hohen Lärmschutzwänden geschützt werden. Damit, so Prognosen der Bahn, soll es leiser werden, trotz erhöhter Zugzahl.
RRX-Halte in Sterkrade, Dinslaken, Wesel, Mehrhoog, Empel-Rees, Emmerich
In Dinslaken wird es neue Bahnsteige und Weichen geben: Der Bahnhof wird ausgebaut zum Überholen und für den Rhein-Ruhr-Express (RRX) – wie auch Sterkrade, Wesel, Mehrhoog- Empel-Rees und Emmerich. Weiter nach Voerde, wo die Häuser besonders dicht an der Trasse stehen. Die hohen Lärmschutzwände sind optisch sicherlich eine Last. „Transparente Wände reflektieren den Schall besser, wirken nicht so gut“, erklärt Projektleiter Ventzke. Erdwälle oder Bauwerke aus Gabionen, diesen in Drahtkäfigen eingesperrten Steinen, verbrauchen Platz, den man hier nicht hat.
In Friedrichsfeld soll der breite Bahnsteig dem dritten Gleis weichen, eingestiegen wird von neuen Außenbahnsteigen, die Bahn wird zudem zwei Meter höher gelegt, weil die Schiffe auf dem Wesel-Datteln-Kanal gleich hinter der Station mehr Luft nach oben brauchen.
Je höher der Zug desto niedriger die Lärmschutzwand, erklärt Ventzke. Da der Bahnschall nach unten strahlt, reichen kleinere Wände. Nur drei Kilometer später kommt Wesel. Hier werden bereits die Bahnsteige saniert. Künftig sollen hier auch die Züge mit Baumaterial parken.
Bei Feldmark wird es wieder eng: Wohnbebauung bis ans Gleis, also hoher Schallschutz. Freie Sicht auf Felder und Wälder gibt’s erst auf dem Stück nach Mehrhoog. Kurz zuvor wird bereits eine erste neue Straßenbrücke erstellt.
80 Kilometer Schallschutzwand, 38 Brücken und Unterführungen
Bis ca 2022 sollen die 73 Kilometer Strecke um ein drittes Gleis ergänzt werden, zudem werden 55 Bahnübergänge durch 38 Brücken oder Unterführungen ersetzt.
80 Kilometer Schallschutzwand beidseits sollen Anwohner schützen, auch der Nahverkehr soll ausgebaut werden: ein Plus von 6,5% wird erwartet. Die Grafik der DB zeigt den Bahnhof Sterkrade.
Auch in Haldern hofft Ventzke bald auf Baurecht. Dann kann man dem Lindendorf schon die Lärmschutzwand spendieren. Kurz vor Empel-Rees wird es in den Wiesen einen Überholbahnhof geben, genauso wie vor Mehrhoog. Dann geht es knalleng durch Millingen: Das 3000-Einwohnerdorf wird künftig durch Lärmschutzwände zerschnitten: Allein hier hat es eine vierstellige Zahl Einwendungen gegeben. Geplant ist: Die Autos fahren ums Dorf über die Brücke, der Haltepunkt wird verlegt, eine Unterführung für Fußgänger und Radfahrer bleibt im Ort. Für Schützenzug und Prozession zu eng, fürchten Anwohner.
Vielerorts reichen die Gärten bis zum Gleis
In Praest ist die Situation kaum anders: Gärten bis zum Gleis. Noch mehr Wände. In Emmerich gibt es beinahe einen Bahnübergang pro Kilometer – viele kommen weg. Schwacher Trost für die Kommunen: Das Land übernimmt den sonst fälligen Eigenanteil von 30 Prozent. Endstation Emmerich. 2017 soll es wieder Nahverkehr über die Grenze geben. Mit Halt in Elten, acht Kilometer weiter. Doch im beschaulichen Dorf regt sich Widerstand: Das Wahrzeichen, der Eltenberg, soll von neuer Straßen- und Bahntrasse angenagt werden. Das Bergvolk wird sich auch nicht durch eine frohe Botschaft Ventzkes trösten lassen, der gestern zusicherte: Elten bekommt wieder einen Bahnhof – der letzte Zug fuhr 1966 ab. Gute Nachrichten der Bahn für Betuwe-Linien-Anwohner gehen oft im Zuglärm unter.