Berlin. SPD-Mitglieder, die sich kritisch zur großen Koalition geäußert haben, sind am Telefon bedroht worden - unter der Nummer der Parteizentrale. Ein Mann, der sich als Mitarbeiter von Generalsekretärin Andrea Nahles ausgab, drohte mit Folgen für die Karriere. Die SPD-Führung erstattete Anzeige.

Die SPD-Führung hat Strafanzeige gegen Unbekannt wegen der Drohanrufe bei Gegnern der großen Koalition in der Partei gestellt. "Die Behörden haben die Ermittlungen bereits aufgenommen", sagte eine Parteisprecherin der Nachrichtenagentur dpa am Donnerstag.

Zuvor war bekanntgeworden, dass Koalitionskritiker von einem Anrufer bedrängt wurden, der sich als Mitarbeiter von SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles ausgab. Nahles selbst wertete die Anrufe als "kriminellen Akt".

Bekennerschreiben des "Kommandos Gerhard Schröder"

Im Internet tauchte unterdessen ein Bekennerschreiben eines "Kommandos Gerhard Schröder der Hedonistischen Internationale" auf, das auf eine mögliche Satire-Aktion hindeutet. Die Autoren behaupten, bei mehr als 100 SPD-Mitgliedern und Funktionären angerufen zu haben, die als Gegner der großen Koalition bekannt sind.

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In Anlehnung an das Willy-Brandt-Zitat "Mehr Demokratie wagen!" nennen die Verfasser ihre angebliche Aktion "Mehr Telefonie wagen!". Ob die Autoren identisch mit dem oder den Anrufern sind, blieb aber unklar.

Die komplette SPD-Führung wirbt massiv für Zustimmung zum Koalitionsvertrag mit der Union bei dem bereits angelaufenen Mitgliederentscheid. Das Ergebnis soll am 14. Dezember bekannt gegeben werden. Die Drohanrufe waren durch ein Beschwerdeschreiben des SPD-Ortsvorsitzenden aus dem baden-württembergischen Bruchsal, Fabian Verch, an Nahles bekanntgeworden. Auf seinem Display soll die Nummer der SPD-Zentrale in Berlin erschienen sein.

"Krimineller Versuch, der SPD zu schaden"

Verch hatte sich vor einigen Tagen in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner" gegen eine große Koalition ausgesprochen. Der Anrufer soll dem Jungsozialisten mit Folgen für die weitere Parteikarriere gedroht haben, falls er seine Haltung nicht ändere. Der Mann habe ihm gesagt: "Du hast doch schließlich auch noch Ambitionen in der Partei." Danach habe er angekündigt, er melde sich am nächsten Tag noch einmal. Als das nicht geschah, beschwerte sich Verch per Mail bei Nahles.

Bundestagswahl 2013Die Generalsekretärin antwortete Verch in einer E-Mail: Wer zu solchen Methoden greife, gehöre nicht zur sozialdemokratischen Familie. "Vielmehr ist das meiner Ansicht nach ein krimineller Versuch, der SPD zu schaden."

In der SPD-Zentrale wird es für unwahrscheinlich gehalten, dass sich der Anrufer in das Telefonsystem des Willy-Brandt-Hauses gehackt hat. Damit müsste die Nummer des Parteivorstandes, die bei den Anrufen zu sehen war, durch eine andere technische Manipulation auf dem Display erschienen sein. (dpa)