München.. In der Aufarbeitung der Morde der rechtsextremistischen Terrortrios NSU hat sich das Gericht am Mittwoch vor allem mit der Herkunft der mutmaßlichen Tatwaffe befasst. Zeugen aus der Schweiz sagten zu Geschehen aus, die sich Mitte der 1990er Jahre ereignet hatten.
Wie gelangte eine
Pistole der Marke „Ceska 83“ samt Schalldämpfer in die Hände Thüringer Neonazis?
Die Bemühungen des Oberlandesgerichts in München das zu klären, erlitten gestern
einen Rückschlag. Zwei von drei für diese Woche geladenen Zeugen zum Weg dieser
Pistole aus der Schweiz nach Jena, waren im NSU-Prozess nicht erschienen.
Richter Manfred Götzl kündigte an, die beiden Zeugen nun per Rechtshilfeersuchen
an die Schweizer Behörden, vorladen zu lassen. Offenbar sollen die Zeugen per
Video in der Schweiz befragt werden.
Vor Gericht erschienen war aber
Franz S., ein damals lizensierter Waffenhändler. Der 45-Jährige führte 1996 mit
einem Partner ein Waffengeschäft im schweizerischen Bern. Laut seinem damaligen
Registerbuch verkaufte er am 11. April 1996 die mutmaßliche NSU-Tatwaffe mit der
Seriennummer 034671 weiter. Die Pistole soll mit einer baugleichen zweiten
Pistole per Post an einen Peter Anton G. in Steffisburg in der Schweiz geleifert
worden sein. G. ist einer der nicht erschienen Zeugen.
Franz S. erklärte vor Gericht,
dass ihm damals von seinem tschechischen Waffenlieferanten, der Firma „Luxik“,
die Ceska-Pistolen als „Set mit Schalldämpfer“ angeboten worden waren. Mehrfach
sprach der frühere Waffenhändler, der inzwischen eine Transport- und
Entsorgungsfirma in Bern betreibt, davon, dass diese Waffen im Set mit
Schalldämpfer äußerst selten gewesen wären.
Wie kam die Ceska 83 zu den NSU-Terroristen?
Bei einer Durchsicht seines
Registerbuches zu den Waffenlieferungen stellten Verteidiger allerdings fest,
dass 1993 bereits 20 derartige Sets an die Berner Firma von Franz S. geliefert
wurden. Auch das sei noch selten im Vergleich zu anderen Waffen, beharrte der
Zeuge auf seinen Angaben. „Sie machen mir Angst“, erwiderte Olaf Klempke,
Verteidiger von Ralf Wohlleben.
Rechtsanwalt Jacob Hösl wertete
die Aussage des Waffenhändlers als Bestätigung der Angaben seines Mandanten, des
Angeklagten Carsten S. Dieser
hatte ein der Vorwoche noch einmal vor Gericht erklärt, dass er im Auftrag des
Mitangeklagten Wohlleben eine Pistole mit Schalldämpfer zu Uwe Mundlos und Uwe
Böhnhardt nach Chemnitz gebracht habe. Dabei soll es sich um die mutmaßliche
Tatwaffe der neun fremdenfeindlichen Morde handeln, die mit dem NSU in
Verbindung gebracht werden - eine Ceska 83 mit Schalldämpfer.
Die Verteidiger von Wohlleben
hatten die Aussagen von Carsten S. angezweifelt, da er keine konkreten
Erinnerungen mehr an die damaligen Vorgänge habe. Der Angeklagte S. hat sich mit
seiner Aussage aber erneut auch selber belastet.
„Im Berner Kanton war es 1996
nicht notwendig, Schalldämpfer zu registrieren“, erklärte der Zeuge am Mittwoch vor
Gericht. Deshalb könne er nicht sagen, wie viele Schalldämpfer er zu Waffen
verkauft habe. Um damals die verdächtige Ceska zu kaufen, musste der Kunde Peter
Anton G. einen Waffenerwerbsschein vorlegen, erklärte der 45-Jährige weiter.
„Außerdem musste er ein gültiges Dokument mit Adresse vorweisen.“ Nach einer
Kontrolle der Unterlagen sei die Waffe dann einfach per Post und Einschreiben an
dessen Adresse geschickt worden.
Neonazi aus Jena soll "Zwischenstation" bei Waffen-Beschaffung gewesen sein
Die damalige Lieferung per
Päckchen hat laut Waffenregister des Händlers zwei baugleiche Pistolen der Marke
„Ceska 83“ mit Schalldämpfer enthalten. Ob auch Munition mitgeschickt wurde,
konnte der Zeuge nicht mehr sagen. Im Gegenzug für die Lieferung habe der
Händler den Waffenerwerbsschein behalten. Peter Anton G. bekam die Kaufquittung
als Beleg für das korrekte Geschäft.
Laut Anklage soll dieser die im
April 1996 von ihm erworbene „Ceska 83“ mit Schalldämpfer an den Schweizer
Hans-Ulrich M. weiter gegeben haben. Laut Franz S. war damals ein privater
Waffenverkauf in der Schweiz nicht geregelt, da so etwas eigentlich nicht
vorgesehen gewesen sei. Peter Anton G. hatte laut
Unterlagen der Polizei, bis 2012 die Bestellung, den Erhalt und die Weitergabe
der Ceska-Pistole geleugnet. Erst im Vorjahr gestand er nach unserer Zeitung
vorliegenden Unterlagen ein, die Waffe an Hans-Ulrich M. weiter gegeben zu
haben. Beide Männer sollen sich aus ihrer Militärzeit kennen.
Bilder zum NSU-Prozess
Laut Anklage soll die
mutmaßliche Mordwaffe über eine weitere Zwischenstation dann an den Betreiber
der Jenaer Neonazi-Boutique „Madley“ gegangen sein. Der Angeklagte Carsten S.
will die Pistole Ende 1999 oder Anfang 2000 dann vom Betreiber des Szeneladens
erhalten und nach Chemnitz gebracht haben. Carsten S. und Ralf Wohlleben sind im
NSU-Prozess wegen Beihilfe zum Mord in neun Fällen angeklagt. Die
Bundesanwaltschaft wirft ihnen das Beschaffen der mutmaßlichen Mordwaffe
vor.
Neue Videosequenz von Anschlagsort Köln aufgetaucht
Kurz vor Ende des Verhandlungstages - mittlerweile Tag 47 im NSU-Prozess - zerschlug sich noch der Beweis für den Verdacht, dass Beate
Zschäpe während des Nagelbombenanschlags am 9. Juni 2004 in der Nähe der Kölner
Keupstraße gewesen sein könnte. Auch dieser Anschlag, bei dem mehr als 20
Menschen teils schwer verletzt wurden, soll der Nationalsozialistische
Untergrund (NSU) begangen haben.
Es existieren mehrere
Videomitschnitte von zwei Überwachungskameras, auf denen Mundlos und Böhnhardt
nach Ansicht der Ermittler mit Fahrrädern zu erkennen sind. Nun war eine weitere
Videosequenz aufgetaucht, auf der eine Frau im weißen Pullover und offenen
braunen Haaren beim Telefonieren mit einem Handy zu sehen ist.
Die Vergrößerung des Gesichts
der Frau, die am Mittwoch im Gericht gezeigt wurde, hatte allerdings kaum
Ähnlichkeit mit der Hauptangeklagten in diesem Prozess. Beate Zschäpe wirft die
Bundesanwaltschaft unter anderem Mittäterschaft bei zehn Morden sowie schwere
Brandstiftung und die Bildung einer Terroristischen Vereinigung
vor.