München. Eine heute 63-Jährige Dortmunderin will Beate Zschäpe zeitnah zu einem der Morde in der Stadt gesehen haben. Doch vor Gericht blieben am Montag auch nach fünf Stunden Befragung Zweifel. Die Zeugin hatte sich erst spät gemeldet und konnte wenig Details zu den beobachteten Personen nennen.

Wie glaubwürdig ist eine Zeugin, die sich fast anderthalb Jahre weder bei Polizei noch Staatsanwaltschaft meldet. Diese Frage beschäftigte am Montag den NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht in München fast sieben Stunden lang.

Kurzfristig geladen war eine 63-jährige Frau, die Beate Zschäpe - die Hauptangeklagten in diesem Verfahren - Anfang April 2006 in Dortmund gesehen haben will. Am 4. April 2006 war in Dortmund Mehmed Kubasik erschossen worden.

Sollte diese Aussage zutreffen, wäre es der erste wirkliche Hinweis darauf, dass Zschäpe zeitnah zu einem der Morde, die der NSU begangen haben soll,  in Tatortnähe war. Gleich zu Verhandlungsbeginn verzögerte sich die Aussage der Zeugin aber um fast zwei Stunden. Mehrere Verteidiger hatten Unterbrechungen beantragt, um neu eingegangene Akten oder Fotos mit ihren Mandanten besprechen zu können.

Zwei Männer und eine Frau in Schwarz gesehen

Danach schilderte die 63-Jährige selbstsicher und teils sehr detailreich ihre Beobachtungen. So will sie kurz nach dem 31. März 2006 von einem Dachfenster aus auf dem Nachbargrundstück mehrere Personen gesehen haben. Darunter seien zwei Männer und eine Frau in schwarzer Kleidung gewesen. Einen weiteren Mann auf diesem Grundstück beschreibt sie als Skinhead.

Die Zeugin erklärt, die Gruppe auch mit einem Fernglas beobachtet zu haben. Sie erinnere sich so genau an das Datum, weil sie am 31. März 2006 einen Möbelwagen erwartet habe und ein größeres Wohnmobil dessen Parkmöglichkeit blockierte.

Erst als der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) im November 2011 aufgeflogen war, habe sie Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt und später auch Beate Zschäpe auf Fahndungsfotos in den Medien als diejenigen erkannt, die sie damals mit auf dem Nachbargrundstück beobachtet hatte, betont die Zeugin.

Zeugin nannte nur wenige Einzelheiten zu den Personen

Außer der schwarzen Kleidung konnte sie sich aber an fast keine Einzelheiten zu den drei Personen erinnern, die sie 2006 gesehen hatte. Nachfragen nach weiteren Details zur Kleidung blieben ebenso offen wie nach Besonderheiten der Gesichter. Einzig die zurückgekämmten Haare der Frau, die sie als Beate Zschäpe erkannt haben will, fielen ihr noch ein.

Zudem erzählte die Zeugin von verdächtigen Grabungsarbeiten auf dem Nachbargrundstück. Sie hielt diese für verdächtig, weil die Arbeiten außerhalb "normaler Zeiten" vorgenommen worden sein sollen. Einmal habe der "Skinhead" vom Nachbargrundstück sie beim Beobachten gesehen, und sich in Drohgebärde aufgebaut. Auch ihr Mann hat nach Angaben der 63-Jährigen diese Grabungen als "bedrohlich" empfunden und sogar einmal davon gesprochen, dass auf dem Grundstück "Neonazis etwas vergraben" würden.

Sie habe nicht mehr viel Vertrauen in die Polizei gehabt

Die Antwort auf die Frage, warum sich die 63-Jährige nicht zeitiger gemeldet habe, schien nicht jeden im Gerichtssaal zu überzeugen. Sowohl Richter Manfred Götzl wie die Verteidigung erkundigten sich nach den Gründen dafür.

Sie habe befürchtet, dass die Polizei ihre Aussage als Nachbarschaftsstreit abgetan hätte, erklärte die Zeugin und verwies zudem darauf, seit dem Entdecken des NSU nicht mehr so viel Vertrauen in die Polizei zu haben. Sie verwies auch auf ihre Sorge, dass nach solche einer Aussage sich der "Skinhead" von nebenan bei ihr hätte melden können.

Die Bundesanwaltschaft als Alternative für eine Aussage wäre ihr zu hoch angebunden gewesen. Erst als die Anklage vorgelegen habe und Dortmund fast keine Rolle spielte, habe sie sich im Februar dazu entschlossen, einen Journalisten zu informieren und im Juni den Nebenklageanwalt Thomas Bliwier. Seine Kanzlei hatte dann auch den Antrag auf Ladung der Zeugin gestellt.

Sie war stellvertretende DKP-Vorsitzende

Unruhig im Gerichtssaal wurde es noch einmal, als Verteidiger Olaf Klemke sich zu den politischen Ansichten und über den Lebenslauf der Zeugin erkundigte. Diese war unter anderem stellvertretende Vorsitzende der DKP, 1988 aber aus der Partei ausgeschlossen worden.

Als sich der Verteidiger des Mitangeklagten Ralf Wohlleben danach erkundigte, in welcher Weise der Ehemann der Zeugin ein Experte für Neonationalsozialismus sei, forderte die Nebenklageanwältin Edith Lunnebach, die Frage für unzulässig zu erklären. Nebenklageanwalt Jens Rabe sprach sich dagegen für die Frage aus.

Letztlich sah sich das Gericht gezwungen, in einem Beschluss die Zulässigkeit der Frage zu bestätigen. Die Zeugin erklärte unter anderem, dass ihr Mann Historiker sei.

NSUFür nächste Woche Dienstag ist noch ihr Mann geladen

Nach etwa fünf Stunden wurde die 63-Jährigen aus dem Zeugenstand entlassen. Den Antrag, sie zu vereidigen, lehnte das Gericht ab. Übermorgen soll auch der Ehemann der Zeugin befragt werden, verkündete Richter Manfred Götzl nachdem die Zeugin gegangen war. Für nächste Woche Dienstag ist zudem der Mann geladen, den die Zeugin auf dem Nachbargrundstück gesehen haben will. Der Polizei hatte er in der Vorwoche gesagt, dass seine Frau eine gewisse Ähnlichkeit mit Beate Zschäpe habe.

Für Dienstag wurde ein weiterer Zeuge umgeladen. Das Gericht wollte ursprünglich bereits am Montag den Vater von Halit Yozgat hören. Dessen Sohn war am 6. April 2006 in seinem Internetcafé in Kassel erschossen worden. Zur Verhandlung waren am Montag auch die Mutter und Geschwister des Getöteten gekommen.