Dorsten. . Auch kleine Parteien ohne große Chancen werben um Stimmen bei der Landtagswahl. Die Familienpartei ist eine von ihnen und Heiner Christinck ist ihr Wahlkämpfer. 32 000 Menschen machten beim letzten Mal ihr Kreuz bei den Familienfreundlichen. Jede Stimme mehr ist für Christinck ein Erfolg.
Immerhin, es ist warm an diesem Tag im Mai. Gutes Wetter, um Wahlkampf zu machen. Der kleine Hyundai von Heiner Christinck ist vollgepackt mit Broschüren, Plakaten und mit der Trittleiter, ohne die gar nichts geht. Christinck ist nicht zu übersehen, er trägt ein knallorangenes Poloshirt und eine Kappe in der selben Farbe. Fast könnte man meinen, er sei einer von der Piratenpartei, die derzeit die Parteienlandschaft aufwirbelt. Deren Farbe ist auch Orange. Christinck ist aber für die Familienpartei unterwegs, seit Jahren schon. Die Familienpartei hat bei der Landtagswahl 2010 ganze 0,4 Prozent geholt, bei der Bundestagswahl im Jahr davor waren es 0,3 Prozent. Eine der Parteien, die unter Sonstige firmieren. Keine, die für Wirbel sorgt.
Christinck hat seinen Wagen am Südwall in Dorsten abgestellt. Jetzt erst mal ein Parkticket ziehen. „Es gibt Kollegen, die halten sich nicht an die Verkehrsbestimmungen. Die gibt es in allen Parteien“, sagt er. Er zieht die Hose hoch. „Wenn ich Vorbild sein will, muss ich mich an die Bestimmungen halten.“ Ein prüfender Blick auf die Plakate. Vielen ist anzusehen, dass sie schon einige Wahlkämpfe mitgemacht haben.
Organisationen liegen ihm
Das erste, das er an einem Laternenmast aufhängt, zeigt ein Kind, das den Bauch einer Schwangeren küsst. „Da gibt es manchmal Aggressionen. Manche Frauen können oder wollen ja nicht schwanger werden.“ Christinck hat Verständnis dafür. „Wir sind eine liberale Partei. Wir sind auch tolerant gegenüber anderen Formen des Zusammenlebens.“ Es gebe sogar welche in seiner Partei, die bei der Homosexuellen-Parade am Christopher Street Day mitmachen würden. Er nicht. „Ich bin überzeugter Christ und habe meine dezidierte Meinung dazu.“
Weil er Christ ist, hat er auch mal bei der Partei Bibeltreuer Christen (PBC) mitgemacht. War aber nichts, die wollten nur missionieren. Auch beim Zentrum, der ältesten deutschen Partei, war Chris-tinck einmal und bei der SPD und bei der FDP. Organisationen liegen ihm, er ist auch Mitglied im Journalistenverband und in zwei Briefmarkenklubs. Für eine Wählergemeinschaft in Voerde sitzt er als sachkundiger Bürger im Stadtrat. Zeit hat er ja als Rentner.
Elf kleine Parteien
Neben den sechs Parteien, die eine realistische Chance haben, in den Landtag einzuziehen, treten bei der Landtagswahl an: Die Familienpartei, die Tierschutzpartei, das Bündnis für Innovation & Gerechtigkeit (BIG), die ÖDP, die AUF (Arbeit, Umwelt, Familie) zwei Freie-Wähler-Vereinigungen, „Die Partei“, die „Partei der Vernunft“ und die Rechtsaußen von ProNRW und NPD.
Zur Familienpartei ist er 2004 gestoßen. Christinck ist Vater von fünf Kindern und hat sieben Enkel. „Ich bin ein engagierter Großvater, ich will, dass es meinen Enkeln besser geht.“ Mit den großen Parteien hat der 65-Jährige es nicht so. „Im Parteien-Mainstream werden Leute wie ich, die gegen den Strom schwimmen, immer untergebuttert“, sagt er. In der Familienpartei ist er jetzt 2. Landesvorsitzender. War nicht einfach am Anfang. „Ich wurde gegen den Widerstand einiger Parteimitglieder aufgenommen, die nur vor Ort ein bisschen Kommunalpolitik machen wollten.“ Christinck denkt größer. „Wir möchten die bundesweite Familienpolitik verändern. Das geht nicht, wenn man nur Nabelschau betreibt.“
Für die Partei ist er unermüdlich auf Achse. Kürzlich hat er sich eine böse Erkältung geholt, als er in Schleswig-Holstein auf dem platten Land unterwegs war, um die Parteifreunde dort zu unterstützen. In Niedersachsen hat er Wahlkampf gemacht, in Baden-Württemberg, in Hessen. „Ich komme wegen meiner Parteitätigkeit in ganz Deutschland herum.“
Fasziniert von der Piratenpartei
Auf der anderen Straßenseite hängt Christinck ein Plakat mit einem Eisbär-Motiv auf. „Das ist ein echter Sympathieträger.“ Er zuppelt die Kabelbinder durch die Ösen, zurrt sie fest. Fertig. Norma-lerweise hängt er die Plakate mit einem Parteifreund aus Gladbeck auf, einer der wenigen, die wirklich aktiv sind. „Der guckt aber zwei-, dreimal, ob das richtig hängt. So viel Zeit habe ich nicht.“ 48 Stunden hängt ein Plakat im Schnitt. „Dann wird das von irgendwelchen Leuten zerdeppert. Traurig.“
Ab in die Fußgängerzone, Broschüren verteilen. „Guten Tag, darf ich sie kurz informieren zur Landtagswahl?“ Christinck lächelt. Die meisten Leute lächeln zurück. Gewählt wird die Familienpartei trotzdem nur von wenigen. 32 000 Stimmen landesweit zuletzt. Die Piratenpartei holt aus dem Stand das Vielfache. Ist das nicht deprimierend? „Ach, ich bin da mittlerweile schmerzfrei“, sagt Christinck und lacht. Vor dem Erfolg der Piraten hat er Respekt: „Ich finde es faszinierend, dass die unpolitische Leute aktivieren.“ Was ihn wirklich fuchst, ist, dass die Tierschutzpartei regelmäßig mehr Stimmen als die Familienpartei holt. „Tiere zählen in Deutschland mehr als Kinder – das ärgert mich.“
Und eigentlich hat Heiner Christinck von der ganzen Wahlkämpferei auch ein bisschen die Nase voll. „Im Grunde genommen möchte ich mich auf eine Insel zurückziehen. Aber dann schlage ich die Zeitung auf und sehe, dass irgendwo was schief läuft.“ Und dann weiß er: „Da muss was passieren, da musst du was tun.“