Berlin. Nach dem Rücktritt von Bundespräsident Wulff läuft die Suche nach einem Nachfolge-Kandidaten auf Hochtouren. Der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, Andreas Voßkuhle, hat offenbar bereits abgelehnt. Und auch Bundestagspräsident Lammert will laut Koalitionskreisen nicht kandidieren.

Bei der Suche nach einem Nachfolger für den zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff gibt es möglicherweise einen ersten Fortschritt. Wie die Nachrichtenagentur Reuters am Samstag aus Oppositionskreisen erfuhr, wollen sich die Spitzen von Koalition und Opposition am Sonntagabend im Bundeskanzleramt treffen, um das weitere Vorgehen zu besprechen.

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, Andreas Voßkuhle, hat bereits erklärt, er lehne eine Kandidatur für das Bundespräsidentenamt ab. Nach Informationen von "Spiegel Online" hatten sich die Spitzen der Koalition auf Voßkuhle verständigt, dieser habe nach einer Bedenkzeit aber abgesagt.

Bundestagspräsident Norbert Lammert will Koalitionskreisen zufolge auch nicht für die Nachfolge des zurückgetretenen Staatsoberhauptes Christian Wulff kandidieren. Der CDU-Politiker habe abgesagt, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters am Samstag aus Koalitionskreisen. Es seien aber noch mehr Namen im Gespräch. Einzelheiten wurden zunächst nicht bekannt.

SPD-Chef: Wulff-Nachfolger sollte "kein aktiver Politiker einer Partei" sein

Die SPD stellt neue Bedingungen für die Wahl des Bundespräsidenten. Der Nachfolger von Christian Wulff sollte "nach Möglichkeit kein aktiver Politiker einer Partei" sein, sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel.

Ginge es nach er Mehrheit der Bürger, dann hätte der frühere Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde, Joachim Gauck, die Nase vorn. In einer am Samstag veröffentlichten Forsa-Umfrage für den TV-Sender RTL hielten 46 Prozent den Theologen Gauck für geeignet, die Nachfolge von Christian Wulff anzutreten.

20 Prozent Zustimmung für Ursula von der Leyen

Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) erhielt nur 20 Prozent Zustimmung, Verteidigungsminister Thomas de Maiziere (CDU) 19 Prozent sowie Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Ex-Umweltminister Klaus Töpfer je 18 Prozent. Verfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle halten nur vier Prozent für geeignet. Befragt wurden am Freitag 1.002 Bürger.

Angela Merkel hatte sich am Samstagmorgen rund zwei Stunden lang mit den Vorsitzenden von CSU und FDP, Horst Seehofer und Philipp Rösler, im Kanzleramt beraten. Mit am Tisch saßen auch die Fraktionsvorsitzenden von CDU und FDP, Volker Kauder und Rainer Brüderle, sowie CSU-Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt. Dem Vernehmen nach wurde in der anschließenden Sitzung über potenzielle Kandidaten intensiv diskutiert. Darunter sollen auch diejenigen gewesen sein, die seit Tagen in politischen Kreisen gehandelt werden. Die Erfahrung lehrt jedoch, dass am Ende auch ein Überraschungskandidat zum Zuge kommen könnte.

Union und FDP haben in Bundesversammlung nur knappe Mehrheit

Nach dem Rücktritt von Wulff am Freitag hatte Merkel sowohl Sozialdemokraten als auch Grünen Gespräche über einen gemeinsamen Kandidaten in Aussicht gestellt. Die Parteichefs von Union und FDP waren bereits am Freitagabend zu ersten Sondierungen über die Nachfolge Wulffs zusammengekommen. Union und Freidemokraten verfügen in der Bundesversammlung, die das Staatsoberhaupt wählt, nur über eine knappe Mehrheit.

Unionsfraktionschef Volker Kauder hielt deshalb auch eine erneute Wahl nur mit einer schwarz-gelben Mehrheit für möglich. Die Koalition habe eine Mehrheit in der Bundesversammlung, sagte der CDU-Politiker "Bild am Sonntag". Einen Kandidaten "von Gnaden der SPD" werde es nicht geben.

SPD lehnt Kabinettsmitglied als Kandidat ab

Über die Nachfolge Wulff wurden derweil Differenzen zwischen den Regierungsparteien und der Opposition deutlich. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Peter Altmaier, kritisierte Äußerungen von SPD und Grünen, dass ein aktuelles Kabinettsmitglied nicht in Frage komme. Solche Bedingungen schränkten die Kandidatensuche ein und seien nicht hilfreich, sagte Altmaier im Deutschlandfunk.

Die SPD kündigte an, in den Gesprächen mit Merkel für ihren früheren Kandidaten Joachim Gauck werben zu wollen, allerdings auf ihrem Vorschlag auch nicht zu beharren. Gauck sei der SPD-Favorit, sagte der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel der "Bild am Sonntag". Allerdings gelte auch, dass die Sozialdemokraten "nicht mit absoluten Vorfestlegungen in die Gespräche um die Wulff-Nachfolge gehen werden". Ein Kabinettsmitglied als Kandidat lehnte Gabriel ab.

Damit wären potenzielle Anwärter wie Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) aus dem Rennen. Letzterer hatte ohnehin eine Kandidatur von sich aus abgelehnt. Im Deutschlandfunk sagte Gabriel zudem, es sei kein Geheimnis, dass der frühere CDU-Umweltminister Klaus Töpfer in der SPD "hohe Sympathie genießt".

Linke fordern Beteiligung an Gesprächen

Die Linke reagierte verärgert darauf, dass Merkel sie nicht einbindet. "Merkel wäre gut beraten, nach einer Lösung mit allen im Bundestag vertretenen Parteien zu suchen", sagte Parteichef Klaus Ernst der "Rheinischen Post". Fraktionschef Gregor Gysi sagte dem "Hamburger Abendblatt", es sei hoffentlich nur ein Versehen der Kanzlerin gewesen, "die Linke nicht bei der Kandidatensuche zu nennen". Wenn man das Vertrauen in das Amt wiederherstellen wolle, "müssen wir das kleine Wunder vollbringen, gemeinsam eine Kandidatin oder einen Kandidaten zu finden, der von der CSU bis zur Linken akzeptiert wird".

Überraschend erhielt die Linke Unterstützung von Heiner Geißler, dem früheren Generalsekretär der CDU. "Es wäre gar nicht schlecht, wenn die auch mit dabei wären. Sonst haben wir hinterher ja immer die Debatte, dass man jemanden ausgeschlossen hat", sagte Geißler im Deutschlandradio Kultur. (rtr/afp/dapd)