Bucklebury. . Im beschaulichen Bucklebury, dem Heimat-Städtchen von Kate Middleton, sind die

Da trifft das Mädchen von Nebenan einen Prinzen, verliebt sich und fährt zum Schluss als umjubelte Braut in einer Kutsche zum Palast. Ein Märchen wie Aschenputtel – oder doch nicht? Wer in Kate Middletons Heile-Welt-Heimat auf ihren Spuren wandert, erkennt schnell, dass hier kein typisches Mädchen aus dem Volk zur Prinzessin aufsteigt. Und dass in der süßen Zuckerguss-Idylle ordentlich Kasse gemacht wird mit Buckleburys berühmtester Tochter.

Kurvige Landstraßen führen durch „Kate Country“, hier und da schmiegen sich Dünungen von Wiesen und Wäldchen an kleine Weiher. Eine Dreiviertelstunde vor London ist hier von der Enge, den Ellbogen und der Exaltiertheit der Hauptstadt nichts zu spüren. Lotsen begleiten ein paar Schulkinder über die fast autofreie Hauptstraße in Bradfield. Ein unscheinbarer Schotterweg zweigt hier ab und endet direkt an der St. Andrew’s Church, der Taufkirche von Kate Middleton.

Auf dem pittoresk verwitterten Friedhof blühen die Narzissen, im modrigen Halbdunkel der Landkapelle liegt noch die Bibel aufgeschlagen vom letzten Sonntagsgottesdienst. Niemand sorgt sich, die schwere Holztür unverschlossen zu lassen, niemand überwacht die leeren Bänke mit Kameras.

Ländliche Idylle und Millionäre

Im Pub „The Old Boot Inn“ gibt es das Bier passend zur Hochzeit.
Im Pub „The Old Boot Inn“ gibt es das Bier passend zur Hochzeit.

Dabei ist das Bethaus inmitten seines kleinen, museumsreifen Sprengels über Nacht weltberühmt und belagert geworden. Am Morgen der Verlobungsnachricht von Kate Middleton und Prinz William fielen Horden von Reporter in Berkshires versteckte Dörfer ein, campierten auf den Wiesen, tauchten das Weihwasserbecken in Blitzlichtgewitter.

Nur ein paar Meter die Straße hoch liegt das Elternhaus von Großbritanniens nächster Prinzessin – eine Residenz mit fünf Schlafzimmern und einer umgebauten Scheune, aus der die Middletons Zubehör für Kindergeburtstage verkaufen. „Party Pieces“, so heißt das Unternehmen, hat aus der Stewardess Carole und dem Flug-Dispatcher Michael Millionäre gemacht. Und damit sind die Middletons hier in allerbester Gesellschaft.

Sandstein-Cottages, Fachwerkhäuschen und viktorianische Villen mit Wassergrundstück – an diesem schönen Fleckchen England findet sich kaum eine Immobilie unter einer halben Million Euro Kaufpreis. Es ist mitnichten ein Durchschnittsdorf, sondern Refugium der Reichen, die in der City und in den Technologie-Start-Ups am Flughafen Heathrow ihr Geld machen.

Stimmung ist ‘chilled’

Nach Feierabend hegen sie eine Dorfatmosphäre, die anderswo im Königreich lang schon verschwunden ist. Wie James, Geschäftsmann, der an diesem Wochentag Zeit und Muße hat, im Pub zu lunchen, schätzen die Leute die Übersichtlichkeit, die örtliche Cricket-Mannschaft. Dass der Pub-Besitzer im Winter den Kamin anzündet, im Sommer die Stühle in den Biergarten räumt und sich daran auch nichts ändert.

Zur Feier des Tages will die Gemeinde ein Schwein überm Lagerfeuer grillen.
Zur Feier des Tages will die Gemeinde ein Schwein überm Lagerfeuer grillen.

Im nächstgrößeren Marlborough, wo Kate für 25.000 Euro Schulgebühren im Jahr Abitur gemacht hat, klingt selbst schon mancher Jugendliche wie ein Rentner im Kurort. „Ziemlich langweilig“ sei der Ort, sagen Polly und Tom, zwei Schüler – und meinen das als Kompliment. „Hier sagen die Leute ‚Sorry‘, auch wenn sie in Eile sind“, so der 17-Jährige, „jeder kennt jeden, die Stimmung ist ‚chilled‘.“ Das unverbrauchte Gesicht von Kate Middleton, ihre Offenheit, die unverstellte Selbstsicherheit - das begegnet Besuchern hier in vielen Variationen. Auch Polly strahlt in ihrem blauen Dufflecoat und den braunen Schnürschuhen vor tadelloser Frische.

Stolz auf die berühmteste Tochter der Stadt

Clubs und Discos sucht man hier vergeblich. „Parties, keine Ahnung“, lächeln zwei Jungen im Sandwich-Shop schüchtern: „Wir sind doch noch keine 18.“ In ihrer Freizeit treiben sie Sport, einer von ihnen spezialisiert sich aufs Schießen, liebster Zeitvertreib der Oberschicht. Kate Middleton war im Hockey-Team ihrer Schule. Wer nun aber Neid oder eine abfällig Bemerkung über die arrivierte Absolventin vermutet, könnte nicht weiter daneben liegen. „Wir sind stolz, ja, stolz“, sagen sie stattdessen. Am 29. April wollen sie die Hochzeit mit anderen im Dorfpark beim Barbecue feiern.

Es soll das größte Fest werden, das Bucklebury je gesehen hat: Die Gemeinde will ein Schwein überm Lagerfeuer grillen, die Bäume mit bunten Wimpeln schmücken und die Trauzeremonie auf einer Leinwand übertragen. Bezirksvorsteher Peter Brook hat bereits eine Hochzeitstorte geordert, die so groß ist, dass alle 2000 Dorfbewohner ein Stück abbekommen: „Die Verlobung von Kate mit Prinz William war seit Jahren die größte Nachricht im Ort.“

Wirt John Hanley ist auch eingeladen und reist nach London.
Wirt John Hanley ist auch eingeladen und reist nach London.

Einige Dorf-Granden haben von den Middletons sogar eine Einladung in die Westminster Abbey bekommen: Der Metzger, der Postbote, die zwei Besitzer des Spar-Marktes in Ober-Bucklebury sowie John Hanley, Wirt im „Old Boot Inn“, reisen nach London. Hanleys Pub kommt der Medienrummel entgegen – er sonnt sich im lukrativen Glanz der royalen Romanze. „Kate ist sehr nett, sehr entspannt“, sagt er, „sie kommt manchmal zum Mittagessen her.“ Vor allem aber verdient der Kneipier kräftig mit Mittagessen für Journalisten und dem Verkauf von „Goldenem Hochzeitsbier“.

Deko fürs ganze Land

Wenn Kate heiratet, knallen in seinem „Old Boot Inn“ die Champagnerkorken. Für 18 Euro Eintritt schmeißt Hanley eine Kostümparty, bei der die fantasievollsten Prinzen und Prinzessinnen gekrönt werden sollen. Geschmacklos finden das einige im Ort, allen voran Brautmutter Carole Middleton. Das Banner „Sold Out“ klebt längst über den Partyplakaten im Ort: Ausverkauft – dieses Wörtchen trifft es in jeder Hinsicht ganz gut.

Freilich machen auch die Middletons Kasse mit dem Ereignis, bei dem ihre Tochter Mittelpunkt sein wird. Rubbellose mit patriotischen Motiven, alles rund um einen Prinzessinnen-Geburtstag und jede Menge Zubehör für Straßenpartys – „Party Pieces“ liefert dem ganzen Land die Dekoration für den großen Tag.

Profitieren möchte jeder gern, auch Chan und Hash Shingadia, die den Tante-Emma-Laden am Ortseingang betreiben. Erst als ein Paar Tüten englisches Weingummi über die Ladentheke gehen, plaudert die Ehefrau – darüber, wie die dicke, elfenbeinfarbene Pappeinladung vom Oberkammerherrn des Palastes in ihrem Briefkasten lag, dass sie extra nach Indien fliegt, um sich einen Sari für die Abbey zu kaufen und dass auch Kate hier gerne Süßes kauft: „genau wie wir, wie alle Menschen.“

Alles genau geplant?

Auch die Besitzer des kleinen Spar-Marktes nehmen an der Zeremonie teil.
Auch die Besitzer des kleinen Spar-Marktes nehmen an der Zeremonie teil.

Und zwischen den Vitrinen mit lokalen Käsespezialitäten, duftenden Mandel-Schokoladen-Plätzchen, den Teestuben, Barbourjacken und Hutgeschäften im Ort zeigt sich mancher ganz unbeeindruckt von der Märchenhochzeit des Jahrzehnts. „Unterm Strich“, sagt eine Bed-and-Breakfast-Betreiberin, die lieber anonym bleiben möchte, „ist Kate doch nur ein ganz gewöhnliches Mädchen.“ Sie spekuliert ganz unromantisch: „Jeder kennt das Gerücht, dass die Middletons es drauf angelegt haben, ins Königshaus einzuheiraten.“

Tatsächlich häufen sich die Zufälle: Kate und William haben sich beim gleichen wohltätigen Projekt engagiert, Kate hat an der gleichen schottischen Uni genau wie Willliam Kunstgeschichte studiert und war schließlich seine WG-Mitbewohnerin. Ob die ehrgeizige Familie sich wirklich von langer Hand einen blaublütigen Schwiegersohn geangelt hat oder die Romanze ganz unschuldig ist – im adretten Bucklebury kann man sich das eine wie das andere sehr gut vorstellen.

Das vorläufige Happy End im Leben der Catherine Elizabeth Middleton kann allerdings selbst der Dorftratsch nicht schmälern. Das Mädchen, das hier schon als Zehnjährige „Eliza Doolittle“ in der Grundschule aufgeführt hat – jene Geschichte vom armen Blumenmädchen, aus dem eine Lady werden soll – ist die Erste, die ihren Weg direkt von Bucklebury in den Buckingham Palast macht.