Washington. .
Wikileaks will nach der Veröffentlichung der US-Diplomatenpost demnächst eine „große US-Bank“ ins Visier nehmen. Der Bundesbeauftragte für Datenschutz, Schaar, sieht in den jüngsten Enthüllungen ein „alarmierendes Signal“.
Nach der Veröffentlichung geheimer US-Diplomatenberichte will die Enthüllungsplattform Wikileaks Anfang kommenden Jahres Zehntausende Dokumente einer amerikanischen Großbank im Internet offenlegen. Die Dokumente sollten „Anfang kommenden Jahres“ im Internet veröffentlicht werden, sagte Assange. Sie könnten „ein oder zwei Banken in die Tiefe reißen“.
Die Dokumente gäben Einblicke in das Verhalten des Managements und dürften wohl zu einer Untersuchung führen, sagte Wikileaks-Gründer Julian Assange in einem am Montag veröffentlichten Interview in der Online-Ausgabe des US-Magazins „Forbes“. Es würden auch unethische Praktiken und ungeheuerliche Verstöße dargestellt. „Man kann es auch das Ökosystem der Korruption nennen“, sagte Assange. Die Dokumente zeigten zudem, dass die Aufsicht nicht richtig funktioniere und wie die Manager vorrangig ihre eigenen Interessen im Blick hätten. Den Namen der Bank nannte er nicht.
USA: „Schweres Verbrechen“
Assange zufolge besitzt Wikileaks noch Material über zahlreiche Unternehmen und Regierungen, auch aus Russland. Auch Dokumente über Pharmafirmen lägen der Internetplattform vor. Namen nannte er auch hierzu nicht.
Das Interview mit Assange wurde „Forbes“ zufolge bereits Anfang November geführt, also vor der Veröffentlichung von mehr als 250. 000 Dokumenten von US-Diplomaten in aller Welt am Sonntag. Die Unterlagen aus der Zeit von 2003 bis Februar 2010 enthalten viele Informationen und unangenehme Einschätzungen von US-Diplomaten.
Was ist Wikileaks?
Enthüllen und aufklären – das wollen die Erfinder von WikiLeaks. Auf ihrer Homepage werden geheime Dokumente veröffentlicht, die Skandale aufdecken: über die Kundus-Affäre, über Scientology - und aktuell Zehntausende US-Berichte.
Auf der Internet-Plattform WikiLeaks kann jeder anonym Dokumente veröffentlichen, wenn sie im öffentlichen Interesse stehen. So wurden auf der Plattform bereits Unterlagen, die Steuertricks der Schweizer Privatbank Julius Bär offenbaren, Handlungsanweisungen für das US-Gefangenenlager Guantanamo und geheimes Scientology-Material oder die Mitgliederliste der rechten British National Party veröffentlicht. Auf WikiLeaks wurden auch große Teile der Kundusakte sowie ein Video öffentlich gemacht, das zeigte, wie US-Soldaten in Bagdad unbewaffnete Zivilisten erschießen.
Dabei prüft Wikileaks nach eigenen Angaben jedes Dokument auf seine Echtheit. Das Restrisiko, auf eine Fälschung hereinzufallen, liege bei höchstens einem Prozent. Um die Informationen öffentlich zu machen, wurde ein System „für die massenweise und nicht auf den Absender zurückzuführende Veröffentlichung von geheimen Informationen und Analysen“ geschaffen, wird auf der Homepage behauptet. Serverkosten, Registrierungs-Gebühren, Bankgebühren und Bürokratie-Kosten werden durch Spenden von Privatpersonen finanziert. Geld von Unternehmen oder Regierungen nimmt WikiLeaks laut Erfinder Julian Assange nicht an. (vk)
Angesichts der Brisanz einiger Dokumente bemühten sich Regierungen weltweit am Montag um Schadensbegrenzung, die USA erhoben heftige Vorwürfe gegen Wikileaks und sprachen von einem „schweren Verbrechen“. Zuvor hatte Wikileaks fast 500.000 US-Dokumente über die Kriege in Afghanistan und im Irak veröffentlicht.
Datenschutz-Beauftragter nennt Wikileaks-Enthüllungen alarmierend
Der Bundesbeauftragte für Datenschutz, Peter Schaar, sieht in den jüngsten Wikileaks-Enthüllungen ein „alarmierendes Signal“. Die Veröffentlichung geheimer US-Dokumente zeige, wie notwendig ein „radikales Umdenken“ sei, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Wir brauchen nicht immer mehr, sondern weniger Daten, und die Daten müssen ordentlich geschützt werden.“ Sonst sei zu befürchten, dass demnächst nicht nur diplomatische Korrespondenz, sondern ärztliche Diagnosen, Strafakten oder andere sensible Informationen ihren Weg in das Internet fänden, warnte Schaar.
Die seit den Terroranschlägen am 11. September 2001 vor allem in den USA vorhandene Datensammelsucht sei „ein Risikofaktor, der kaum zu beherrschen ist“, sagte Schaar weiter. Nicht nur in den USA, sondern überall auf der Welt würden immer mehr personenbezogene Daten angehäuft, teilweise sogar - etwa im Bereich der Telekommunikation - ohne jeden Verdacht und Anlass für viele Monate und Jahre. Erhofft worden sei davon ein Zugewinn an Sicherheit. Eingetreten aber sei das Gegenteil, konstatierte der Datenschutzbeauftragte. „Datensparsamkeit ist deshalb das Gebot der Stunde.“
Ecuador will Wikileaks-Gründer Assange aufnehmen
Die ecuadorianische Regierung will Wikileaks-Gründer Julian Assange bei Bedarf ein neues Zuhause anbieten. Der stellvertretende Außenminister Kintto Lucas erklärte, Assange könne „ohne jede Art von Schwierigkeiten und ohne jegliche Bedingungen“ in dem lateinamerikanischen Staat leben. Er solle sich dort ungehindert äußern können, sagte Lucas laut der Website EcuadorInmediato am Montag. Die Enthüllungsplattform Wikileaks hat am Wochenende Hunderttausende Diplomaten-Depeschen aus dem US-Außenministerium veröffentlicht. Sie ist nach eigenen Angaben im Besitz auch von mehr als 1.600 Unterlagen aus der US-Botschaft in Quito.
Der Australier Assange hat sich um eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis in Schweden bemüht. Nach der Veröffentlichung Tausender Unterlagen zu den Kriegen im Irak und in Afghanistan stellte ein Gericht dort jedoch einen Haftbefehl gegen den 39-Jährigen wegen Vorwürfen sexueller Belästigung aus. Assange selbst spricht von einer Schmutzkampagne im Zusammenhang mit seiner Arbeit, seinen Aufenthaltsort hält er geheim. Auch in seiner Heimat könnten ihm juristische Probleme drohen. Das australische Justizministerium erklärte am Montag, es werde ermittelt, ob Assange gegen Gesetze verstoßen habe. (ap/rtr/dapd)