Essen. Karneval sollte Freude ausstrahlen – von innen. Doch egal ob Kappensitzung in Wattenscheid, die „Lachende Kölnarena“ oder der Festumzug durch die Essener Innenstadt – bei Karneval hält sich meine Freude stark in Grenzen.

Ein Beispiel: Bereit für den Kölner Karneval hatte ich mich bereits in meiner Heimatstadt im Ruhrgebiet verkleidet. Aufwändig, knall-orange – als Müllfrau. Ein Originalkostüm, obwohl es Müllfrauen in natura in meiner Stadt natürlich gar nicht gibt. Passanten am Bahnhof hatten trotzdem nichts Besseres zu tun, als mich nach der nächsten Mülltonne zu fragen. Im Ruhrgebiet versteht einfach keiner Karneval!

Vera Kämper startete mehrere Versuche, Karneval zu mögen. (Foto: Jakob Studnar, WAZ)
Vera Kämper startete mehrere Versuche, Karneval zu mögen. (Foto: Jakob Studnar, WAZ)

Weitere Hinweise auf diese ungeliebte These finden sich auch bei Veranstaltungen von Ruhrpott-Karnevalsvereinen. Beim Karnevalseröffnungs-Biwak gilt der pure Ernst, wenn die Kanonenschüsse abgefeuert werden. Die Narrenkappen sitzen ordentlich, ihre Träger in Reih und Glied, wenn der Elferrat die Sitzung eröffnet. Das eingefrorene Lächeln ist wie gemeißelt, wenn die Funkemariechen zu „Go West“ als Marsch-Version tanzen.

Auch der Essener Karnevalsumzug wird gnadenlos durchgezogen, auch wenn kaum Zuschauer am Rand stehen. Und Kindergänsereiterkönig wurde in Wattenscheid lange Zeit auch nur der Junge, der den Kopf einer echten toten Gans wirklich abgerissen hat. (Immerhin wurde dieser Brauch vor drei Jahren endlich abgeschafft.) Nein, dass ich zu wenig vom Ruhrgebietskarneval gesehen habe, um mir ein Urteil erlauben zu können, kann man mir nicht vorwerfen.

Auswandern ins Rheinland?

Es bleibt mir unerklärlich, wie man die fünfte Jahreszeit, die doch eigentlich mit Ausgelassenheit und Lebensfreude zusammen gehört, so ernst nehmen kann!

Also, dachte ich mir als Ruhrgebietskind, muss man ins Rheinland auswandern, um wirklich lustigen Karneval feiern zu können. Die „Lachende Kölnarena“ – als Inbegriff Kölsch’er Lustigkeit – brachte jedoch keine neue Erkenntnis. Um über Witze von Bernd Stelter und anderen alternden Karnevalsgrößen (deren Namen ich verdrängt habe) lachen zu können, muss man wohl entweder im Rheinland geboren sein oder jegliches Niveau und allen Geschmack durch Alkohol ertränken.

11.11., 11 Uhr 11 und Prost!

11.11., 11 Uhr 11 und Prost – so lautet dann am Dienstag wieder die Devise. Und das scheint ja nicht nur in Wattenscheid (wo Kostümierte mit Schnapsarsenalen ausgerüstet sind) und in Köln (wo sich Karnevalisten ganze Kölsch-Fässer auf den Rücken montieren) die einzige Lösung zu sein.

Einen Lichtblick möchte ich dennoch belassen: der Kölner Karneval auf der Zülpicher Straße. Nach einer halben Stunde kennt jeder Kneipenbesucher jedes Kölsche Lied auswendig, die Leute feiern ausgelassen (ohne Elferrat und Prinzenpaar) und die Feierstimmung ist echt. Das wirkt selbst bei einem Ruhrgebietsmädchen – und macht wirklich Spaß.

Vera Kämper hat diverse Karnevals-Testläufe hinter sich: Nach einer Vergangenheit als Vampirin, Müllfrau, Piratin und Cowgirl arbeitet sie als Volontärin bei DerWesten.

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