Düsseldorf. Wegen Lieferproblemen bei Biontech starten die Impfzentren erst am 8. Februar. Bei der Impfung von Klinikbeschäftigten gibt es einen Impfstopp.

Am Montag läutet NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann die Impfungen für das Klinikpersonal in der Essener Uniklinik offiziell ein. Am Tag darauf stoppt das Land die Aktion und verschiebt zugleich den Start der Impfungen für die Über-80-Jährigen: Ein Schreiben des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) an die Koordinierungsstellen in den Impfzentren, das diese am späten Dienstagabend erreichte, sorgte am Mittwoch im Land für Aufregung.

Der Lieferengpass beim Corona-Impfstoff Biontech mache „zwingend eine Änderung der Impfplanung erforderlich“ heißt es in dem Brief, der unserer Redaktion vorliegt. Bereits die für Mittwoch und Donnerstag bestellten Impfdosen für die Krankenhäuser könnten nicht mehr ausgeliefert werden, Bestellungen für Erstimpfungen in Kliniken und Pflegeheimen würden „für den 22.1. und die folgenden Tage seitens des Landes storniert“. Personen, die bereits eine erste Impfung bekommen hätten, würden aber auch in der kommenden Woche wie geplant ihre zweite Impfdosis erhalten, erläuterte am Mittwochmorgen ein Sprecher auf Anfrage.

Ab 1. Februar soll in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen weitergeimpft werden

Im letzten Absatz des Schreibens verspricht das Ministerium, „ab dem 1.2. können wieder Erstimpfungen in Krankenhäusern und Pflegeheimen stattfinden“. Den für diesen Termin geplanten Start der Impfungen für über 80-Jährige, die zu Hause leben, verschob das MAGS am Mittwochmorgen jedoch auf den 8. Februar. Die 53 Impfzentren im Land würden ihren Betrieb erst am 8. Februar aufnehmen, hieß es da auf Nachfrage.

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Der Pharmakonzern Pfizer, Hersteller des Biontech-Impfstoffs, hatte am Wochenende überraschend bekannt gegeben, in den kommenden drei, vier Wochen die zugesagte Menge nicht liefern zu können. Grund für den Engpass seien Umbauten im belgischen Werk in Puurs, die höhere Produktionskapazitäten ab Mitte Februar ermöglichen sollen.

Ministerium: Lieferrückstand wird bis Ende März aufgeholt

Auf Nachfrage dieser Redaktion nennt das Gesundheitsministerium Zahlen zu den Lieferungen: "Die nächste Impfstofflieferung der Firma Biontech mit 99.450 Dosen erhält NRW in der kommenden Woche. Diese ist um ca. 70.000 Impfdosen reduziert worden." Bisher hatte der Hersteller 570.000 Impfdosen bis zur siebten Kalenderwoche angekündigt.

Das Ministerium geht davon aus, dass der Lieferrückstand bis Ende März aufgeholt sein werde. Diese Erwartung äußerte Staatssekretär Edmund Heller am Mittwochabend bei einer mehrstündigen Anhörung im Gesundheitsausschuss des Landtags. Ab etwa Mitte Februar werde von mehr Biontech-Impfstoff ausgegangen. Für den Impfstoff von Moderna gebe es insgesamt vier Liefertermine bis zur achten Kalenderwoche. Das seien noch relativ überschaubare Mengen.

Krankenhausgesellschaft NRW: "Wir wurden kalt erwischt"

Für die Ärzte und Pflegekräfte in den Krankenhäusern des Landes kam die Nachricht völlig überraschend, nicht wenige erhielten am Mittwochmorgen sehr kurzfristig die Mitteilung, ihr für diesen Tag angesetzter Impftermin sei abgesagt, die Aktion gestoppt. Seit Montag wird das Klinikpersonal als zweite priorisierte Gruppe nach den Altenheimen geimpft. Dabei geht es vor allem um die, die auf Isolier- und Intensivstationen Corona-Patienten betreuen oder mit besonders gefährdeten Menschen etwa in der Onkologie oder der Transplantationsmedizin zu tun haben.

"Wir wurden kalt erwischt, die Nachricht hat in den Häusern für sehr schlechte Laune, große Irritationen, Bestürzung, Unmut und Frust gesorgt“, erklärte Hilmar Riemenschneider, Sprecher der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW), die die 342 Kliniken im Land vertritt. Viele Kliniken hätten ihre Impfstraßen bereits im Dezember eingerichtet, seien am Montag froh gewesen, dass es endlich losging – „und nun müssen sie eine Vollbremsung hinlegen“. Die, die heute hätten geimpft werden sollen, hätten teils Schichten getauscht, Operationen seien deswegen verschoben worden…

KGNW-Präsident Jochen Brink fürchtet sogar, „dass diese jähe Unterbrechung die hohe Impfbereitschaft gefährden kann.“ Er erkenne aber an, heißt es in einer Stellungnahme, dass Minister Laumann das Problem „transparent“ gemacht habe. Es könne der Landesregierung nicht angelastet werden, „dass das Hersteller-Konsortium Biontech/Pfizer seine Lieferzusagen (…) nicht einhalte“. Geschätzt 40.000 der gut 90.000 Klinik-Mitarbeiter, die in der ersten Runde geimpft werden sollten, seien es bereits, sagt Hilmar Riemenschneider. „Wir wären in dieser Woche fertig geworden.“

Impfstopp "wirft uns im Kampf gegen die Pandemie zurück"

Auch das Katholische Klinikum Bochum ist betroffen – als eine der wenigen Unikliniken, die den Impfstoff von Biontech und nicht das Produkt der Firma Moderna erhalten. Man sei „überrascht und enttäuscht über die Verzögerung“, erklärte Prof. Christoph Hanefeld, medizinischer Geschäftsführer des Hauses, am Mittwoch auf Anfrage dieser Redaktion. Die Ankündigung erreichte ihn am Dienstagabend „nach 20 Uhr“. „Zwar gab es zuvor Hinweise auf Engpässe, aber die Auslieferungen für Januar standen nicht in Frage. Für alle unsere Häuser, in denen die Impfbereitschaft durchweg hoch ist, hatten wir vor diesem Hintergrund einen klaren Fahrplan für die Impfungen erstellt.“ Nun könne das mit großem Engagement begonnene Projekt erst mit Verzögerung fortgesetzt werden.

Schlechte Nachrichten auch für die Städte: „Unschön“, kommentierte etwa Gelsenkirchens Sprecher Martin Schulmann Schreiben und Entwicklung. „Das wirft uns im Kampf gegen die Pandemie wieder ein bisschen zurück.“ Gelsenkirchen hatte in der Spitze Inzidenzwerte von über 220, aktuell liegt die Stadt bei 169,5. Zum Glück sei man mit den Impfungen in den Senioreneinrichtungen inzwischen „so gut wie durch“, berichtete Schulmann. Denn „Hauptherd“ für die hohen Infektionszahlen der Vergangenheit seien Covid-19-Ausbrüche in zwei Heimen gewesen, in denen mehr als 150 Menschen erkrankten.

Er hoffe, so Schulmann, dass die Verschiebung des Starts der Impfungen für die über 80-Jährigen um eine Woche, „keine gravierenden Auswirkungen“ habe. „Ich denke aber, die über 80-Jährigen, die zuhause leben, sind nicht so akut gefährdet. Sie bewegen sich kaum in der Öffentlichkeit.“ Das Impfzentrum der Stadt in der Emscher-Lippe-Halle sei indes längst startklar, „die Teams warten nur darauf, dass sie endlich was zu tun bekommen“, so Schulmann.

Corona-Impfung: Terminvergabe für über 80-Jährige startet trotzdem am 25. Januar

Auch wenn der Starttermin verschoben werden musste, startet die Terminvergabe für eine Corona-Impfung in einem Impfzentrum weiterhin am 25. Januar. Ab 8 Uhr morgens können in NRW Senioren über 80 Jahren online unter www.116117.de oder telefonisch unter 116 117 einen Termin vereinbaren.

In NRW sind laut Gesundheitsministerium bisher rund 350.000 Menschen gegen das Coronavirus geimpft worden. Alleine in dieser Woche sei die Zahl der Erstimpfungen um 67.000 gestiegen, circa 30.000 weitere Verabreichungen kämen bis Ende dieser Woche noch hinzu, teilte das Gesundheitsministerium am Mittwoch mit. (mit dpa)