Witten. In der Wittener City sind Luxus-Studentenwohnungen entstanden. Preise liegen weit über dem Mietspiegel. Mieterverein fürchtet Folgen fürs Viertel.
Wer hier in der Stadt studiert, lebt am liebsten im Zentrum – nicht zuletzt wegen des über die Stadtgrenzen hinaus bekannten Wiesenviertels. Knapp 80 Prozent der Studenten der Uni Witten/Herdecke haben ihre eigenen vier Wände in der City. Dort gibt es jetzt auch ein Angebot der besonderen Art: an der Wiesenstraße haben Sandra Weniger und ihr Vater Peter Dürscheid eine ehemalige Arztpraxis zu „Luxus-Studentenwohnungen“ umgebaut.
„Wir haben alles zurückgebaut, den kompletten Grundriss geändert. Nur die tragenden Wände sind geblieben“, sagt Architekt Matthias Rustemeyer. So sind im Erdgeschoss des denkmalgeschützten Hauses sechs Appartements entstanden, die alle mit eigenem Bad und Küche ausgestattet sind. Vermietet werden sie möbliert: Kleiderschrank, Bett, Schreibtisch, Esstisch und Regale stehen schon in den 22 bis 39 Quadratmeter großen Wohnungen.
„Junge Menschen wünschen sich heute mehr Privatsphäre“
„Junge Menschen wünschen sich heute mehr Privatsphäre, wollen sich nicht mehr unbedingt zu dritt ein Bad teilen. Da geht der Trend hin“, ist Eigentümer Peter Dürscheid überzeugt. Nachdem die Arztpraxis aufgegeben wurde, stand das Erdgeschoss des ehemaligen Fabrikgebäudes, das seit 1988 unter Denkmalschutz steht, rund ein Jahr lang leer. „Wir haben uns gefragt, was wir hieraus machen könnten“, sagt der 80-Jährige. Und Studentenwohnungen würden eben einfach zum Wiesenviertel passen.
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Bei aller Privatsphäre soll aber auch die Gemeinschaft nicht zu kurz kommen: Neben dem gemeinsamen Eingang teilen sich die künftigen Bewohner einen zentralen 45 Quadratmeter großen Aufenthaltsbereich, um den sich die privaten Wohnungen gruppieren. Hier befindet sich eine weitere voll ausgestattete Küche, Esstisch, Flachbildfernseher, Sitzgelegenheiten und ein Gäste-WC. Im Keller stehen eine Waschmaschine und ein Trockner gegen Münzeinwurf zur Verfügung.
Wieviel Luxus brauchen Studenten?
Die Luxus-Studentenwohnungen sind also eine Mischung aus Wohngemeinschaft, Einzelappartement und Studenten-Wohnheim. Nur eben direkt in der City, nagelneu renoviert – und mit einem Quadratmeterpreis von rund 19,5 Euro warm inklusive aller Nebenkosten, Kabelanschluss und Wlan. Zum Vergleich: für ein möbliertes Studenten-Appartement mit Bad und Küche zahlen Studenten im benachbarten Bochum je nach Lage zwischen 11 und 16 Euro pro Quadratmeter.
Witten ist WG-Hochburg
Die Wohngemeinschaft ist die beliebteste Wohnform unter deutschen Studenten. Jeder dritte teilt sich Bad und Küche mit Mitbewohnern. Das ergab die jüngste Erhebung des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE). In Witten lebt sogar fast die Hälfte aller Studenten in WGs, nämlich 47,6 Prozent.
Platz 2 unter den beliebtesten Stadtteilen belegt mit großem Abstand Annen. Dort leben 12 Prozent der Wittener Studenten.
Doch wieviel Luxus brauchen Studenten? „Für mich wäre das auf keinen Fall etwas“, sagt Studentin Hanna Sander, die selbst in einer 3er-WG in der City lebt. „Dafür habe ich schlicht nicht das Geld. Und meine Eltern würde ich auch nicht darum bitten wollen.“ Außerdem gebe es in Witten „einfach unglaubliche viele schöne Wohnungen zu deutlich günstigeren Preisen.“ Die 22-Jährige hat zuvor schon in Köln und Berlin gelebt. „Und solche Preise habe ich nicht mal dort gezahlt.“
„Das sind Münchner Preise“
Knut Unger vom Mieterverein geht noch einen Schritt weiter: „Da sind wir ja Quadratmeterpreisen wie in München oder sogar Paris angelangt.“ Er hält für eine möblierte Wohnung in dieser Lage einen Preis von etwa zehn Euro oder mehr pro Quadratmeter für angemessen, ausgehend vom aktuellen Mietspiegel. „Die Vermarktung von Teilen unserer Stadt als hippes Wiesenviertel hat daran einen Anteil“, so Unger. Und fürchtet Auswirkungen auf das Mietniveau im umliegenden Viertel: „Wenn das so weiter geht, wird die Innenstadt für die die ansässige Bevölkerung mit normalen und niedrigen Einkommen unerschwinglicher.“ Normale Studenten könnten sich solche Preise nicht leisten, ist Unger sich sicher.
Vermieterin Weniger ist durchaus offen für andere Mieter. Etwa Professoren, die zwischen zwei Wohnorten pendeln oder andere Berufspendler. Vielleicht auch die bessere Klientel: Seit Ende März sind die Appartements auf dem Markt. Eingezogen ist noch niemand.