Witten. . Einige sind von ihnen genervt, andere wollen sie um jeden Preis erhalten: die Taubenpopulation in Witten. Das Füttern der Tiere wird sogar mit einem Bußgeld bestraft, um zu verhindern, dass sich der Bestand vergrößert. Die Initiative Stadttauben ist entsetzt und kümmert sich um die hungrigen Tiere.
Die kleine Taube ist den letzten Flaum noch nicht losgeworden. Etwas gerupft sieht sie aus, mit den gelben Kükenfedern, die noch zwischen dem grauen Gefieder hervorgucken. Doch jetzt ist es für sie aus mit der schützenden Nestwärme - erst einmal. Denn die Jungtaube zieht um. Vom Nest, das ihre Mutter auf dem Vorsprung über den Schaufenstern der Galeria Kaufhof baute, in die Voliere von Lilo Elles. Dort wird sich nun die Ersatztaubenmutti um sie kümmern bis sie groß genug ist, um sich selbst zu versorgen.
Normalerweise sammelt die Initiative Stadttauben e.V. immer wieder die Eier der Vögel ein, um sie durch Gipsimitate zu ersetzen. Im Schnitt sind das 80 pro Jahr. Doch diesmal war das Küken schneller als die Taubenfreunde – es war schon geschlüpft. Also beschlossen Lilo Elles und Roland Dirks von dem Verein das Jungtier einzufangen und selbst großzuziehen. Denn: „Die Tauben hungern“, erklärt Elles sichtlich ergriffen. „Und als erstes sterben die Jungtiere.“ Der Grund dafür: In Witten wird das Füttern von Tauben mit einem saftigen Bußgeld bestraft. Für die Tiere wird es daher immer schwieriger, Futter zu finden. Durch das Verbot soll dafür gesorgt werden, dass sich der Bestand der Vögel nicht unkontrolliert vergrößert.
Kontrolliertes Füttern sei die bessere Lösung
Dass das jedoch zu einer regelrechten Auszehrung der Tauben führt, findet Lilo Elles schlichtweg grausam. „Natürlich ist übermäßiges Füttern auch nicht gut, doch es ist erbärmlich, dass in unserer Wohlstandsgesellschaft die Viecher hungern müssen.“ Auch Roland Dirks findet, dass eine kontrollierte Fütterung sein muss um den Tieren gerecht zu werden, zum Beispiel auf von der Initiative betreuten Futterplätzen. Auch hofft der Verein noch immer darauf, dass im Innenhof des südlichen Rathausflügels ein Taubenschlag gebaut wird, in dem die Tiere, die sich sowieso da angesiedelt haben, unterkommen.
„Die Stadttauben sind verwilderte Haustiere, Abkömmlinge der Brief- und Haustauben. Das sind keine Wildtiere. Der Mensch hat sie zu dem gemacht, was sie heute sind und muss sich daher auch für sie verantwortlich fühlen.“ Die Tiere einfach „krepieren“ zu lassen, sei keine Lösung. Stattdessen sorgt der Verein dafür, dass es der kleinen Population, die Schätzungen des Vereins etwa 100 Tiere umfasst, in Witten gut geht und sich der Bestand nicht weiter vergrößert. „Wenn man den Bestand rechtzeitig reduziert, dann kocht der Zorn über die Tiere unter der Bevölkerung auch nicht hoch“, so Dirks.
Gelegte Eier werden ausgetauscht
Die Jungtaube, die eingefangen wurde, wird daher auch im Wittener Taubenturm wieder freigelassen. Der wurde vor 14 Jahren eröffnet. Mit wenigen Mitstreitern gründete Lilo Elles damals den Verein zum Schutz der Tauben. „Zu Fuß trippelten die Tauben damals der Brotkrumenspur zum Turm hinterher. Die trauten sich ja erstmal nicht“, erinnert sich Elles.
Da Tauben immer zu ihrem angestammten Schlag zurückkehren, kann ihre Vermehrung von dort aus gut gelenkt werden – die Eier, die die Tauben dort legen, werden einfach ausgetauscht. So wird auch die junge Taube, die von der Initiative eingefangen wurde, einmal auf einem Gipsei brüten. Einfach das Ei wegzunehmen, geht dabei nicht. Denn eine Taube die ihr Ei oder ihr Küken verliert, brütet sofort wieder – und das zu jeder Jahreszeit.