Witten. . Die Handwerksbetriebe stehen der Rente mit 67 Jahren ablehnend gegenüber. Sie befürchten dadurch indirekte Rentenkürzungen. Arbeitgeber halten Arbeit im höheren Alter für unumgänglich. Doch was bei Bürojobs durchaus im Bereich des Möglichen ist, sieht im Handwerk ganz anders aus.

In die Knie geht Detlef Tschirner täglich. Der Dachdecker bessert am Evangelischen Krankenhaus zurzeit die Dichtung aus. Sein Handwerk ist körperlich anstrengend und verschleißend. Der 52-Jährige hat mehrere Knie-Operationen hinter sich. „Noch acht Jahre“, sagt er, möchte er weiterarbeiten. Rente mit 67? Unvorstellbar. „Mit 60 können mich alle mal...“

Baugewerbe fürchtet Altersarmut

Sein Chef pflichtet Detlef Tschirner bei. Aus Erfahrung weiß Dachdeckermeister Markus Dürscheidt, dass sich in der Branche viele schon im Alter von 60 Jahren aus dem Berufsleben verabschieden. „Ein Opa gehört nicht auf’s Dach“, sagt der Inhaber des Wittener Betriebs Dürscheidt und Söhne. In der 23-köpfigen Belegschaft gehört nur ein Lagerist zum Bodenpersonal. Alle anderen müssen bei Wind und Wetter aufs Dach. Andere Betätigungsfelder innerhalb des Betriebs sieht der 45-Jährige kaum. „Wir verdienen unser Geld auf dem Dach.“ Sollte es keine Ausnahme für seinen Beruf geben, käme dies einer Rentenkürzung gleich. „Es droht Altersarmut.“

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Kritisch sieht auch die Gewerkschaft IG Bau eine künftig längere Berufstätigkeit. „Die Jobs, auf die Bauarbeiter umschulen könnten, die gibt es gar nicht“, betont Gerhard Kampschulte, Bezirksvorsitzender der IG Bau. Früher seien Kollegen noch als Pförtner, etwa bei Zechen, untergekommen. Die Zeiten seien jedoch vorbei. Er sieht in der Rente mit 67 „eine verkappte Rentenkürzung.“ Erschwerend für eine längere Verweilzeit im Beruf sei für die Baugewerke ein schlechter werdender Arbeitnehmerschutz. „Die Situation der Arbeitnehmer hat sich verschlechtert und Altersarmut wird uns überrollen.“

Höhere Lebenserwartung erfordert längeres Arbeiten

Grundsätzlich sieht die Arbeitgeberseite keine Alternative zu längerfristigen beruflichen Tätigkeiten. Dirk Erlhöfer, Vorsitzender des Westfälischen Arbeitgeberverbands für die chemische Industrie sagt: „Ein 60-Jähriger ist heutzutage deutlich gesünder als noch vor 20 Jahren.“ Für viele Betriebe sei es aufgrund des Fachkräftemangels notwendig, die bestehende Belegschaft längerfristig zu halten. Vor allem bei Bürojobs hält er dies für machbar. Den Trend gebe es bereits.

So ist der Anteil von über 60-jährigen Erwerbstätigen gestiegen. Vor dem Hintergrund einer höheren Lebenserwartung müsse der Eintritt ins Rentenalter später erfolgen. „Sonst wird die Rente teurer.“ Gleichwohl sieht Erlhöfer Bedarf für altersgerechte Lösungen im Betrieb. Hier seien kreative Lösungen gefragt. Erste Ansätze gebe es bereits. Diese Hoffnung hegen Handwerker wie Detlef Tschirner.