Witten. . Geschockt zeigten sich Angehörige, dass nach dem Tod ihrer sterbenskranken Mutter der Leichnam von der Polizei beschlagnahmt wurde.

Geschockt zeigten sich Angehörige, dass nach dem Tod ihrer sterbenskranken Mutter der Leichnam von der Polizei beschlagnahmt wurde.

Elfriede Schaberg* war unheilbar krank. Lungenkrebs im Endstadium. Sie litt unter Luftnot, wurde palliativ im Pflegeheim Haus Buschey versorgt und wollte nicht ins Krankenhaus, wenn es so weit war. Als die 73-Jährige starb, alarmierte eine Pflegekraft den Notarzt - der wiederum rief die Polizei. Der Leichnam wurde beschlagnahmt, ein zusätzlicher Schock für die Angehörigen.

„Ich hätte mir ein würdevolles Ende für meine Mutter gewünscht“, erklärt der Sohn der Verstorbenen. Der 49-Jährige hat kein Verständnis dafür, dass Polizei und Staatsanwalt eingeschaltet wurden. „Man muss die Leiche nicht mit nach Bochum nehmen.“ Elfriede Schaberg starb nachts. Am Nachmittag erfolgte die Freigabe ihres Leichnams. Erst dann konnten die Angehörigen alles Nötige regeln.

Aber warum wird beim Tod einer totkranken Frau ermittelt? Und warum rief die Pflegekraft den Notarzt, obwohl bekannt war, dass im Notfall das Palliativnetz informiert werden sollte? Nach Angaben des Heimträgers, der Evangelischen Stiftung Volmarstein, hat die Pflegerin „umsichtig im Interesse der Bewohnerin“ gehandelt. „Wenn die erfahrene Fachkraft ärztliche Hilfe sucht, ist das in einem Sterbefall nicht ungewöhnlich.“

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Nach Angaben des Palliativnetzes Witten kam zunächst der Hausärztliche Notdienst. Der Kollege hätte der Frau, die in dieser Nacht unter starken Verwirrungszuständen gelitten habe, ein Beruhigungsmittel gegeben und damit völlig richtig gehandelt, sagt Palliativmediziner Dr. Matthias Thöns (45). Er habe den Wunsch de Patientin akzeptiert, nicht ins Krankenhaus zu kommen. Als sie starb, war der Arzt offenbar nicht mehr da. Jedenfalls rief die Pflegekraft nun wohl die Feuerwehr und diese schickte den Notarzt. Er konnte nur noch den Tod von Elfriede Schaberg feststellen.

Weil ihm die Todesursache nach der Medikamtengabe unklar erschienen war, hatte der Notfallmediziner die Polizei eingeschaltet. „Wenn ich irgendwo hinkomme und die Person ist schon tot, rufe ich sie natürlich“, sagte er gegenüber unserer Zeitung. Das sei kein grundsätzliches Misstrauen. Wichtig sei aber, dass sich Polizei und Staatsanwalt den Fall ansähen. Nicht zuletzt gehe es auch um die rechtliche Absicherung. Zwar telefonierte er noch mit Palliativexperte Dr. Thöns, dennoch kamen die Uniformierten.

Der Notarzt hat den Fall aus Sicht des Heimträgers „falsch eingeschätzt“. Haus Buschey arbeite eng mit dem Palliativnetzwerk zusammen, erklärt die Stiftung Volmarstein. „Rettungsmediziner müssen in der Lage sein, zu differenzieren und sich der Palliativmedizin anzunähern.“ Kritik kommt auch von Ärztesprecher Dr. Frank Koch, Vorstandsmitglied im Palliativnetz Witten. „Hat sich der Notarzt Gedanken gemacht, was ein mögliches Ermittlungsverfahren für die Familie bedeutet?“ Auch wenn das auf Elfriede Schaberg nicht mehr zutraf, müsse es doch möglich sein, die „letzte Lebenszeit nicht im Rettungswagen oder auf einer Intensivstation zu verbringen“.

Natürlich hätten Notärzte das Recht, die Polizei zu alarmieren, wenn etwas nicht koscher sei, meint Dr. Thöns. „Aber bei dieser Patientin im Endstadium von Lungenkrebs war alles dokumentiert. Es gab keinen Hinweis auf etwas Verdächtiges.“ Er könne den Leuten nur vor den Kopf schauen, sagt der behandelnde Notarzt. Sterbehilfe? Mord? Ohne das auf diesen Fall verstanden wissen zu wollen - ausschließen könne er all dies nicht, wenn er zu einem Toten gerufen werde.

Der Ärztliche Leiter des Rettungsdienstes im Kreis, Peter Stahlberg (64), fordert den Ausbau „kooperativer Strukturen“. Und: „Alle Mitarbeiter müssen für Palliativsituationen geschult werden.“ Aber es sei nicht fair, in Fällen wie diesen dem Notarzt die Schuld zu geben. „Wenn der Piepser geht, müssen wir fahren.“ Was die Feststellung der Todesart angehe: Der Notarzt könne nur zwischen „natürlich“, „unnatürlich“ und „unklar“ wählen. Letzteres anzukreuzen, gehe in diesem Fall völlig in Ordnung. Das Wittener Palliativnetz wünsche sich ebenfalls eine engere Zusammenarbeit mit dem Rettungsdienst, sagt Dr. Matthias Thöns. „Wir würden uns auch nachts rufen lasen.“ Im Südkreis sehe das aber anders aus. Daher gebe es noch keine kreisweite Lösung.

Er betont, dass die palliative Versorgung in „fünf von sieben“ Wittener Heimen gut sei. Michael Schillberg (43) von der Boecker-Stiftung weist auf die Bedeutung einer Fallbesprechung im Vorfeld hin. „Wenn alles geklärt ist, muss der Notarzt nicht geholt werden.“ Wichtig sei, dass die Einrichtung wisse, was gewünscht ist. Im Falle Elfriede Schabergs wusste man das auch. Aber es sei eben vieles schief gelaufen, sagt ihr Sohn traurig. Seine Mutter werde jetzt im engsten Familienkreis beigesetzt.

*Name geändert