Witten. Der Fall des Satanisten-Paares, das in seiner Wohnung einen Bekannten „auf Befehl Satans” ermordet hatte, war vor sechs Jahren Anlass für die Gründung einer Expertengruppe in Witten. Deren Erkenntnis: Häufig machen sich die Täter ihre Opfer mithillfe pflanzlicher Drogen gefügig.

Eine junge Frau berichtet, sie sei als Kind rituell missbraucht worden. Auf einer Art „Altar” habe sie gelegen, es gab süßliche Milch zu trinken, dann sei sie im Nebel versunken – und wurde dem „Satan geopfert”. Ein Fall, den die Wittener Sektenbeauftragte Silvia Eilhardt aus ihrer Arbeit kennt. Nicht selten gehen, so aktuelle Erkenntnisse, auch biogene Drogen mit ritueller Gewalt einher. Biogene Drogen, also bewusstseinsverändernde Pflanzen, haben ganz bestimmte Auswirkungen auf Körper und Geist. Sie können Menschen gefügig machen, ohne dass sie es merken. Sie können Verwirrtheitszustände und Ängste fördern. Zynisch gesprochen: eine perfekte Methode für okkulten Missbrauch. Aber wie genau wirken die Pflanzen, welche werden in der Szene verwendet? Und wie kann man diese Spuren bei den Opfern nachweisen?

Mit diesen Fragen beschäftigten sich Psychologen, Ärzte, Gerichtsmediziner, Juristen und Polizeibeamte am vergangenen Mittwoch bei einem Informationsabend des Wittener Arbeitskreises „Rituelle Gewalt”. Eingeladen hatte Silvia Eilhardt, die diesen Arbeitskreis 2003 ins Leben gerufen hat.

Opfern werden Pilze oder Stechapfel verabreicht

„In satanistischen Kreisen werden wohl eher andere Drogen verwendet, um Menschen gefügig zu machen als die weithin bekannten K.O.-Tropfen”, sagt die Wittener Drogenbeauftragte. „Es gibt keine Statistik über den Einsatz von biogenen Drogen, aber wir gehen davon aus, dass derartige Pflanzen genutzt werden.” Die Oberhausener Kommissarin Claudia Pütz berichtete darüber, welche Drogen ahnungslosen Opfern verabreicht werden. Zu biogenen Stoffen zählen zum Beispiel bestimmte Pilzsorten. Der Stechapfel gehört auch dazu.

Es sei wichtig, sich über die rituellen Handlungen der Szene zu informieren. „Nur so können wir ein kompetenter Ansprechpartner für Opfer sein.” Früher wären Frauen, die in einem Beratungsgespräch eine „süße Milch” erwähnen, vielleicht erst gar nicht ernst genommen worden. Früher gab es auch keinen Arbeitskreis zu diesem Thema.

Expertengruppe soll kompetente Hilfe bieten

Anlass für die Gründung dieser Expertengruppe war damals der grausame Fall des Wittener Satanisten-Paares, das in seiner Wohnung einen Bekannten mit Dutzenden Messerstichen und Hammerschlägen „auf Befehl Satans” brutal ermordet hatte. Der Fall hatte international für Aufsehen gesorgt. Das Amt für Jugendhilfe und Schule gründete daraufhin den Arbeitskreis „Rituelle Gewalt”, um kompetente Hilfe für Opfer von Satanismus oder Okkultismus bieten zu können.

Seither ist viel Präventionsarbeit geleistet worden. Nicht nur in Witten. Die Zahl der Ratsuchenden im Bereich Satanismus ist laut Sekten-Info NRW rückläufig. Grund sei eine gute Aufklärung an den Schulen. Auch Volker Schütte, Polizeisprecher in Bochum, hat keinen Anstieg von ritueller Gewalt verzeichnet.

Für den Fortbestand des Arbeitskreises spielten Fall-Zahlen keine Rolle, sagt Silvia Eilhardt. Denn es gehe weiter darum, Experten und Öffentlichkeit für dieses Thema zu sensibilisieren. Immerhin klingeln pro Jahr etwa drei Frauen an der Wittener Beratungstür, die sich als Opfer ritueller Gewalt sehen. Bisher sei noch nie ein spezielles Drogenscreening bei den Opfern angeordnet worden. Wenn sich das ändert, könnten okkulte Machenschaften noch besser aufgedeckt werden.