Witten. .

Es steht irgendwo im Ennepe-Ruhr-Kreis. Die Adresse ist geheim. Nur wenige Nachbarn wissen Bescheid über das Frauenhaus. Denn die Bewohnerinnen sind hier, weil sie Schutz suchen. Vor Schlägen. Vor Bedrohung. Vor ihren Männern.

Das Gebäude sei ein ganz normales größeres Haus und liege nicht etwa auf der grünen Wiese, sondern mittendrin in einem Ort, in einer Stadt. „Es ist auch kein Gefängnis“, sagt Claudia Eckern (50), die mit Kollegin Ruken Korkut (39) das Frauenhaus leitet. Es gebe keinen hohen Zaun, aber schon diverse Sicherheitsmaßnahmen, über die sie aber nicht mehr verraten will als so viel: „Wir haben einen direkten Draht zur Polizei.“ Denn es könne vorkommen, dass jene Männer, deren Frauen hier eigentlich anonym leben, vor der Tür stehen. „Ein- bis zweimal pro Jahr passiert das.“

25 Plätze gibt es im Frauenhaus. „Zwölf bis 13 Frauen leben hier immer mit ihren Kindern“, sagt Claudia Eckern. Auf je zehn bis 20 Quadratmetern inklusive Nasszelle. Dazu kommen ein Ess-, ein Spiel- und ein Wohnzimmer sowie eine Küche zur gemeinsamen Nutzung. Das Hausleben zu organisieren und dass die Frauen als Gruppe klar kommen, sei ein Schwerpunkt ihrer Arbeit, sagt Eckern.

Vor allem gehe es aber darum, den Frauen zu helfen. Eine Lösung für ihre Probleme zu finden. Die meisten haben oft jahrelang häusliche Gewalt erlebt. Dazu gehören tätliche Angriffe ebenso wie psychische Gewalt, die immer Erniedrigung bedeutet. Die Männer, weiß Claudia Eckern, üben aber auch soziale und ökonomische Gewalt aus: Sie verbieten ihren Frauen Kontakte zu anderen Menschen und verwehren den Zugang zum Konto.

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Von Annette Kreikenbohm

Manche Frauen kommen aus einer akuten Gewaltsituation ins Frauenhaus, mit nichts als der körperlichen und seelischen Verletzung. Manche kommen geplant, mit ein paar Habseligkeiten und Papieren. Es sind Frauen aus allen Schichten. Meist sind sie zwischen 20 und 40 Jahre alt. „Die älteste war 82“, sagt Claudia Eckern. Und sie bewundere den Mut, in solch einem Alter diesen Schritt zu wagen.

Für 20 bis 30 Prozent der Frauen ist das Haus im EN-Kreis nur eine Zwischenstation, weil sie weiter weg müssen. Weiter weg von der Stadt, in der der Mann lebt, der sie nicht finden darf. Manche bleiben auch nur mal zwei Tage, um ein Zeichen zu setzen, um dem Mann zu zeigen: „Ich kann dich verlassen, wenn ich will.“ Im Durchschnitt, sagt Claudia Eckern, „bleiben die Frauen drei bis sechs Monate.“ In dieser Zeit werden auch viele Formalitäten geregelt, wie Wohnungssuche, Scheidung oder Sorgerecht.

Die junge Cansu (Name v.d.Red. geändert) lebte zweieinhalb Jahre im Frauenhaus EN. Die Türkin war 17, als sie nach Deutschland kam, um zu heiraten. Damit begann ihr Leidensweg. Der heute 21-Jährigen fehlen die Worte, als sie ihre Geschichte erzählen will. Deutsch hat sie erst im Frauenhaus gelernt. Ruken Korkut hilft und übersetzt.

Cansu erlebte schwere häusliche Gewalt, wurde von ihrem inzwischen geschiedenen Mann in die Türkei zu den Eltern geschickt. Doch die hatten kein Verständnis für die Tochter. Cansu flüchtete aus der Türkei. Weinend habe sie am Düsseldorfer Flughafen gesessen, bis ihr ein Mensch half und sie kurzerhand ins Frauenhaus Oberhausen brachte. Von dort wurde sie in den EN-Kreis vermittelt. Verzweifelt, traumatisiert, hoffnungslos.

„Im Frauenhaus“, sagt Cansu und sie sagt es auf Deutsch, „wurde mir viel geholfen. Deswegen bin ich jetzt vielleicht so stark.“